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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Hauser, nickte ihm dankbar herablassend zu und antwortete: »Das ist mir lieb, mein junger Freund. Eigentlich wollte ich mich eines Schlittens bedienen; aber ich komme direct aus der Residenz, und wenn man so lange Zeit im Coupee gesessen hat, dann ist eine nicht zu lange Fußtour ganz angenehm. Wollen Sie sich nicht zu mir setzen, da wir nun Reisegefährten werden?«
    Eduard hielt es für seine Schuldigkeit, der Aufforderung des vornehmen Herrn Folge zu leisten. Er nahm sein Glas und kam herbei. Winkler betrachtete ihn mit wohlwollendem Blicke und fuhr fort: »Sind Sie im Nachbarstädtchen gut bekannt?«
    »Ja. Ich bin dort geboren.«
    »Ah, da muß ich Sie um eine Auskunft bitten. Ist Ihnen eine Familie Hauser bekannt?«
    »Ja,« antwortete der Gefragte, überrascht aufblickend.
    »Giebt es mehrere Familien dieses Namens?«
    »Nein, nur eine einzige.«
    »Ich glaube, dies gehört zu haben. Es soll eine außerordentlich brave, wenn auch arme Familie sein. Nicht?«
    Eduard erröthete. Dann antwortete er:
    »Dieses Wort thut mir wohl, mein Herr. Ich bin nämlich der Sohn dieser Familie.«
    Winkler that, als ob er eine sehr freudige Ueberraschung empfinde, streckte ihm die Hand entgegen und sagte: »Das freut mich, das freut mich sehr! Sie heißen Eduard?«
    »Ja.«
    »Des Nachbars Engelchen ist Ihre Geliebte?«
    »Ja,« antwortete der Gefragte zögernd und abermals erröthend.
    »Sie haben jetzt die Kinder der unglücklichen Beyers bei sich?«
    »Seit Sonntag. Aber, mein Herr, wie können Sie das wissen, da Sie sagen, daß Sie direct aus der Residenz kommen?«
    »Man hat es mir geschrieben, oder vielmehr – hm, bitte, rücken Sie näher. Man braucht nicht zu hören, was wir sprechen.«
    Der Kellner hatte die Stube bereits wieder verlassen; sie befanden sich also allein in derselben. Um so neugieriger fühlte sich Eduard. Es mußte sehr Heimliches sein, was dieser fremde Herr zu sagen hatte. Winkler neigte sich zu ihm herüber und sagte halblaut:»Es führt mich nämlich keine andere Absicht in Ihr Vaterstädtchen, als diejenige, Sie aufzusuchen.«
    »Mich?« fragte Eduard verwundert.
    »Ja, Sie. Man hat mir einen sehr günstigen Bericht über Sie geliefert. Dies ist der Grund, welcher mich veranlaßt, Ihnen mein Vertrauen zu schenken. Sie haben doch von dem Fürsten des Elendes gehört, nicht wahr?«
    »Ja. Man spricht hier allgemein von ihm.«
    »Und Sie stehen speziell in seinem Dienste?«
    Eduard fuhr zurück. Er betrachtete sich den Fremden, als ob er ihn in diesem Augenblicke erst sehe. Er blickte in ein lächelndes, wohlwollendes Gesicht, und das beruhigte ihn.
    »Sie sind erstaunt,« sagte Winkler. »Ich will Ihnen noch mehr sagen: Sie verkehren heimlich mit einem Manne, welcher auch in Beziehung zu dem Fürsten des Elendes steht?«
    »Herr, ich weiß nicht, was ich Ihnen antworten soll!«
    »Dieser Mann,« fuhr Winkler fort, »hat für die unglückliche Familie Beyer gesorgt und auch Ihnen eine Summe ausbezahlt?«
    Eduard blieb noch immer wortlos.
    »Wollen Sie das in Abrede stellen?« fuhr Winkler fort.
    »Ich verstehe Sie nicht,« antwortete Eduard endlich. »Ich weiß nicht, von wem Sie sprechen.«
    Winkler nickte befriedigt vor sich hin und sagte dann:
    »So ist’s recht! Ich sehe, daß Sie verschwiegen sind und daß man sich auf Sie verlassen kann. Es ist mir außerordentlich lieb, daß ich gerade Sie hier treffe. Es ist mir dadurch der Weg erspart, und ich kann gleich hier mit Ihnen sprechen. Aber Sie müssen Vertrauen zu mir haben. Darum lesen Sie vorerst Dieses hier!«
    Er griff auf die Bank neben sich, auf welcher ein kleines Packet lag. Er öffnete dasselbe. Es enthielt eine ganze Anzahl sorgfältig zusammen gefalteter Schriftstücke. Winkler schlug eins derselben auseinander und reichte es ihm hin.
    Eduard las. Er bekam dann das zweite, dritte, vierte zu lesen, bis er endlich auch den Inhalt des letzten kannte. Seine Verwunderung war von Sekunde zu Sekunde gestiegen.
    »Nun?« fragte Winkler im Tone eines Mannes, welcher seiner Sache vollständig gewiß ist.
    »Herr,« antwortete Eduard, indem seine Züge den Ausdruck tiefer Ehrerbietung bildeten. »Entweder sind Sie ein Beauftragter des Fürsten oder er selbst.«
    »Errathen! Also, vertrauen Sie mir?«
    »Gewiß! Sehr gern!«
    »Können Sie sich denken, um was es sich handelt!«
    »Diese Schriftstücke sollen nach Langenberg besorgt werden.«
    »Allerdings! Und zwar durch einen ebenso sicheren wie auch verschwiegenen Mann. Wollen Sie das

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