Der verlorne Sohn
übernehmen?«
»Sehr gern.«
»Wann können Sie aufbrechen?«
»Sogleich.«
»So giebt es nichts, was Sie heute zu Hause festhält?«
»Nichts Nothwendiges. Ueberdies werde ich vorher anfragen, ob ich gebraucht werde.«
»Bei den Ihrigen?«
»Nein, sondern bei«
Er hielt vorsichtig inne.
»Nun, bei –?« fragte Winkler.
»Das wissen Sie!«
»Schön! Wie oft kommen Sie mit ihm zusammen?«
»Sooft er es für nothwendig hält.«
»Sie haben also keine festgesetzten Zeiten, in denen Sie mit einander verkehren?«
»Nein. Wir wissen uns nach Bedarf zu finden und zu treffen.«
»Wo wohnt er?«
Das Auge Eduard’s blitzte auf.
»Herr,« sagte er, »Sie wollen meine Verschwiegenheit erproben. Sie kennen seinen Wohnort ebenso genau, wie ich selbst. Ich will nicht fragen, ob Sie der Fürst selbst sind oder einer seiner Bevollmächtigten; aber ich werde auch Ihnen nicht mehr sagen, als was ich jedem Anderen mittheilen kann.«
Winkler fühlte sich außerordentlich enttäuscht. Dennoch aber zeigte er eine sehr befriedigte Miene und sagte: »Sie verdienen in Wirklichkeit das Vertrauen, welches man Ihnen schenkt. Ich werde Sie zu belohnen wissen. Sind Sie in Ihren Bemühungen gegen den Waldkönig vorgeschritten?«
»Sie werden den Bericht erhalten haben!«
»Allerdings. Aber was in letzter Zeit vorgekommen ist, darüber erfuhr ich noch nichts.«
»Der nächste Bericht wird es enthalten.«
Winkler hätte dem verschwiegenen Burschen die Faust an den Kopf schlagen können. Er sah ein, daß es unmöglich war, etwas von ihm zu erfahren. Er machte doch gute Miene zum bösen Spiele und erklärte, Eduard die Hand auf die Schulter legend: »Sie sind wirklich sehr, sehr brauchbar, junger Mann! Ich sage Ihnen vorher, daß Sie Carrière machen werden. Also Sie werden mir dieses Paket besorgen?«
»Gewiß!«
»Aber nur Sie kennen den Inhalt. Kein anderer Mensch darf Einsicht nehmen. Verstanden?«
»Es bekommt ihn Niemand zu sehen!«
»Aber ich setze den Fall, daß Sie mit Grenzern zusammentreffen. Diese werden nach dem Inhalte des Päckchens fragen.«
»Ich begegne keinem Grenzaufseher. Ich gehe über den Föhrensteig, wohin sicherlich Niemand kommt. Ueberdies richte ich es so ein, daß ich mit dem Dunkel dort ankomme. Sie können also sicher sein, daß kein Mensch das Päckchen sehen wird.«
»Und doch hat zuweilen der Zufall seinen eigenen Kopf!«
»O, ein Sprung zwischen die Bäume, und ich bin fort! Das kann ich mit gutem Gewissen thun, da ich ja weiß, daß es sich nicht um Contrebande handelt. Aber, Herr, eine Frage muß ich aussprechen!«
»Reden Sie getrost!«
»Darf er es wissen?«
»Wer?«
»Nun – Er !«
Winkler errieth, daß Der gemeint sei, dessen Wohnung er leider nicht hatte erfahren können, und antwortete:
»Vorher nicht, sondern erst nach Ihrer Rückkehr soll er es erfahren. Es ist das unbedingt nothwendig, wenn auch aus Gründen, die ich Ihnen jetzt nicht erzählen kann, die er Ihnen aber dann selbst sagen wird. Sie müssen sogar dann mit ihm darüber sprechen, da er es ist, der Ihnen den Weg zu bezahlen hat.«
»O, Herr, ich bin ja bereits bezahlt!«
»Ja. Sie haben Ihr Gehalt bekommen?«
Er schlug damit nur auf den Strauch, um zu erfahren, wie es sich mit dieser Angelegenheit verhalte. Da Eduard zustimmend nickte, fuhr Winkler in seiner Rede fort: »Das ändert in dieser Sache nichts. Was Sie heute thun, ist extra und muß also auch extra berechnet werden. Nun aber haben Sie erstens Ihren Auftrag noch nicht ausgeführt, der doch erst belohnt werden kann, wenn er zu Ende gebracht worden ist, und sodann hat zweitens Der, von welchem wir sprechen, den wir aber nicht nennen, die für die Ausgaben dieser Gegend bestimmte Separatkasse in den Händen. Er ist es also, der Ihnen Ihren Botenlohn zu entrichten hat. Ich werde Ihnen daher jetzt eine Anweisung schreiben, welche Sie ihm bei Ihrer Rückkehr übergeben werden. Wieviel werden Sie verlangen?«
Eduard wurde verlegen; er antwortete:
»Ich weiß wirklich nicht, welchen Preis ich nennen soll. Wollen Sie darauf bestehen, daß ich wirklich etwas erhalten soll, so bitte ich Sie, die Summe zu bestimmen!«
»Gut. Sind fünfzig Gulden genug?«
Eduard machte große Augen. Das war ja eine ungeheure Summe! Der zehnte Theil davon wäre seiner Ansicht nach bereits mehr als genug, ja, mehr als nobel gewesen.
»Fünfzig Gulden!« sagte er. »Herrgott, das ist ja ein Reichthum!«
»Für Sie vielleicht, aber für mich nicht. Der Fürst des Elendes
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