Der verlorne Sohn
einen Anhalt in Bezug auf die Zeit seines Eintreffens zu geben.«
»Hm! Er wird die Spitzen also wirklich bei sich haben?«
»Ja. Er hat sie zwischen das Futter seines Rockes eingenäht.«
»Sagte er das?«
»Ja. Er lachte, als der Andere zur Vorsicht mahnte. Er hatte die Ueberzeugung, daß es keinem Menschen einfallen werde, das Futter seines Rockes zu untersuchen.«
Der Staatsanwalt war ganz begeistert von Dem, was er gehört hatte. Er ging einige Male im Zimmer auf und ab, blieb dann vor Seidelmann stehen und sagte: »Sie glauben nicht, was für einen Gefallen Sie mir gethan haben. Endlich, endlich einmal etwas Positives! Ah, wir werden die Schlinge über diesem Wald-oder Pascherkönig zusammenziehen! Wie aber kam es, daß Sie zu Strauch gingen?«
»Da ein Anderer an seiner Stelle erschienen war, so wollte ich wissen, wie das zusammenhinge.«
»Er zeigte Ihnen den Brief?«
»Nicht sogleich.«
»Ja, ja! So ist es! Die Bevölkerung dieser Gegend hat eine zu große Angst vor diesem Kerl. Aber wir werden ihm das Handwerk legen!«
»Das heißt, Sie werden Hauser ergreifen lassen?«
»Das versteht sich ganz von selbst!«
»Dann dürfte aber keine Zeit zu verlieren sein!«
»Haben Sie keine Sorge! Wir werden reiten!«
»Wir? Sie selbst werden sich also betheiligen?«
»Ja. Ich selbst werde es sein, der den berüchtigten Pascherkönig ergreift. Wollen Sie sich betheiligen?«
Diese Frage electrisirte Fritz. Welch eine Genugthuung, wenn er bei der Arretur seines Feindes zugegen sein konnte!
»Ist dies denn möglich?« fragte er.
»Warum nicht?«
»Ich bin nicht Beamter.«
»Aber Sie sind unser Berichterstatter.«
»Wird Hauser das erfahren?«
»Wünschen Sie, daß es verschwiegen bliebe?«
Fritz dachte einen Augenblick lang nach und antwortete dann:
»Er kann es immerhin erfahren.«
»Sie fürchten also seine Rache nicht?«
»Nein. Was kann er mir schaden, wenn er sich in Gefangenschaft befindet?«
»Sie haben Recht. Sie gehören zu den Wenigen, welche Muth besitzen. Können Sie reiten?«
»Leidlich.«
»Schön. Ich werde von Grenzern und Gensd’armen requiriren, was zu erlangen ist. Zu Pferde treffen wir noch vor der Dämmerung beim Föhrensteige ein.«
»Aber, Herr Staatsanwalt, wird er uns nicht entgehen?«
»Nein, wenn er nämlich den angegebenen Weg auch wirklich einschlägt.«
»Hm! Wir müssen durch seinen Wohnort reiten. Wenn er uns bemerkt, so wittert er vielleicht Gefahr.«
»Wir reiten um den Ort herum.«
»Er kann uns trotzdem bemerken. Eine solche Truppe fällt in die Augen.«
»Wir vertheilen uns und schlagen verschiedene Wege ein.«
»Das ist nothwendig. Und vielleicht wäre es am Besten, am Föhrensteige solche Maßregeln zu ergreifen, daß er auf keinen Fall zu entkommen vermag.«
»O, halten Sie mich nicht für einen Stümper. Ich bin Vertreter der Staatsgewalt und werde meine Arrangements schon zu treffen verstehen.«
»Wir müßten uns theilen.«
»Sie meinen, die eine Hälfte diesseits und die andere jenseits der Brücke?«
»Ja. So würde er gerade auf der Brücke ergriffen.«
»Ich dachte auch bereits daran. Aber, verlieren wir nun keine Zeit. Wo werden Sie zu treffen sein?«
»Im Gasthofe zum grauen Wolf.«
»Gut! Wir werden Sie dort abholen. Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet und thue nur meine Schuldigkeit, wenn ich Ihnen die Genugthuung gewähre, beim Ergreifen des berüchtigten Pascherkönigs zugegen gewesen zu sein.«
–
Der, von dem die Rede war, nämlich Eduard Hauser, befand sich um diese Zeit bereits wieder auf dem Heimwege. Er ahnte von der Wolke, welche sich über ihm so gefahrdrohend zusammenzog, nicht das Geringste. Indem er so allein dahinschritt, dachte er an den gestrigen Abend, an sein Engelchen und an seine Versöhnung mit der Geliebten. Er fühlte sich so glücklich, daß er die Zeit gar nicht beachtete, und darum ganz verwundert stehen blieb, als er sein Heimathstädtchen vor sich sah.
»Schon!« sagte er zu sich. »Wie schnell die Zeit vergangen ist! Das geschieht nur dann, wenn man sich glücklich fühlt. Da eilen die Tage wie sonst die Stunden.«
Er blickte überlegend nach rechts und links und fragte sich:
»Gehe ich durch die Stadt oder um die Stadt? Hm! Das Letztere wird besser sein. Vielleicht sehe ich mein Engelchen. Gehe ich langsam am Zaune hin, so kann sie mich durch’s Fenster sehen und kommt vielleicht auf einen Augenblick heraus.«
Er hatte sich nicht verrechnet.
Er ging hinter den Gärten hin. Als er in die Nähe
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