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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Forsthaus, an welchem er vorüberschritt; er erblickte das neue Schloß, nun auch bereits zwanzig Jahre alt, und dann sah er das Dorf vor sich liegen.
    Unter den letzten Waldbäumen stehend, machte er Toilette. Er sah ganz aus wie ein einfacher Landbewohner. Er schritt durch das Dorf und blieb vor der Schmiede stehen. Die Thür stand offen. Funken sprühten vom Ambosse. Der alte Wolf stand dabei und handhabte den großen, schweren Schlaghammer wie ein Junger, und sein Sohn sekundirte ihm. Während einer Pause warf der Alte einen neugierigen Blick auf den Fremden. Dieser wischte sich mit der rechten Hand das rechte Auge. Sofort trat Wolf heraus.
    »Heda, Landsmann,« fragte er. »Wo da her?«
    »Von dort.«
    Dabei zeigte Arndt nach der Richtung hin, aus welcher er gekommen war.
    »Und wo da hin?«
    »Wieder zurück.«
    »Brauchst Du Cigarrenfeuer?«
    Der Alte hatte das Zeichen verstanden und wollte ihn in die Schmiede haben. Darum antwortete Arndt:
    »Deshalb kam ich her.«
    »So komm herein!«
    Das wurde so gethan wegen einiger halbwüchsigen Burschen, welche sich in der Nähe mit Schneeballen warfen.
    Als Arndt sich in der Schmiede befand, warf der Alte die Thüre zu und fragte:
    »Wohl Botschaft?«
    »Ja.«
    »Von welchem?«
    »Wirst’s sehen. Da.«
    Er zog den Brief heraus und gab ihn hin. Wolf öffnete ihn und las den Zettel, ohne sich eines geschriebenen Schlüssels zu bedienen. Das war ihm so geläufig, daß man annehmen mußte, er habe solche Briefe bereits in großer Anzahl erhalten. Er nickte dann mit dem Kopfe und sagte: »Es ist gut und wird besorgt. Warum kommt heute der gewöhnliche Bote nicht?«
    »Ist krank.«
    »Hoffentlich bist Du ebenso sicher, he?«
    »Denke es wohl. Auch soll ich eine Quittung mitbringen.«
    »Quittung? Wieso? Warum?«
    »Zum Zeichen, daß Du den Brief erhalten hast.«
    »Ach so! Weil Du ein Neuer bist. Wie soll diese Quittung beschaffen sein?«
    »Gleich auf den Brief, den ich wieder mitnehmen soll, und darunter Dein Name.«
    »Schön! Wird besorgt. Warte einen Augenblick!«
    Er begab sich nach der Stube und brachte dann die Quittung. Sie bestand, wie Arndt begehrt hatte, aus dem Briefe, den er überbracht hatte, und aus den von dem Schmiede mit starken Buchstaben darunter geschriebenen Worten:»Gelesen. Wird geschehen. Wolf, Schmied in Helfenstein.«
    »So!« sagte der Alte. »Bist Du zufrieden?«
    »Ja.«
    »So gehe in die Stube und trinke einen Schnaps! Komm!«
    Arndt ging mit und goß sich mit Todesverachtung den schlechten Kornbranntwein in den Mund.
    »Hoffentlich weißt Du, was so ein Auftrag zu bedeuten hat?« meinte der Schmied.
    »Das versteht sich!«
    »Und läßt meine Quittung nicht in falsche Hände kommen?«
    »Wer sollte sie bekommen, als nur der König?«
    »Kennst Du ihn?«
    »Nein.«
    »Das heißt, gesehen hast Du ihn und auch mit ihm verkehrt; aber wer er ist, das weißt Du nicht?«
    »So ist es.«
    »Hat er noch Anderen geschrieben?«
    »Ja.«
    »Wem?«
    »Dem Obersberger.«
    »Das weißt Du?«
    »Warum nicht?«
    »Hm! So ist der König mit Dir vertrauter als mit Deinem Vorgänger. Warst Du beim letzten Male dabei?«
    »Ja.«
    »Das soll eine ganz verdammte Geschichte gewesen sein!«
    »Weil Du gefehlt hast. Der König ist teufelswild.«
    »Ich kann nichts dafür und werde übrigens diese Schlappe bald auswetzen.«
    »Dann adieu.«
    »Adieu! Laß Dich nicht erwischen!«
    Arndt wendete sich jetzt dem Kirchhofe zu. Hinter einer dicht beschneiten Hecke veränderte er sein Äußeres, so daß er wieder das vorige Aussehen bekam.
    Als er in das Wohnhaus des Todtengräbers trat, fand er diesen mit seiner Frau beim Mittagsmahle sitzen. Er wurde nach seinem Begehr gefragt.
    »Sie sind der Todtengräber?« erkundigte er sich.
    »Ja.«
    »Haben Sie Familie?«
    »Nein. Wir sind allein und kinderlos.«
    »Haben Sie das Gräberverzeichniß da?«
    »Natürlich. Von welchem Jahre wünschen Sie es?«
    »Vor zwanzig Jahren, den dritten Juli.«
    »Gleich. Oder dürfen wir erst essen?«
    »Geben Sie mir das Buch. Ich werde selbst nachschlagen.«
    Er erhielt das Verzeichniß und fand den Tag, an welchem das Kind der Botenfrau begraben worden war. Die Nummer des Grabes stand dabei.
    »Wie lange bleiben hier die Gräber unberührt?«
    »Wieso?« fragte der Mann, welcher gar nicht wußte, was gemeint war.
    »Ich wollte fragen, wie viele Jahre es hier dauert, ehe die Gräber wieder geöffnet werden?«
    Der Todtengräber schob einen höchst umfangreichen Bissen in den Mund, kaute

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