Der verlorne Sohn
auszuhorchen und zum Geständnisse zu bringen.«
»Ihr habt doch nicht etwa geplaudert?«
»Das fällt uns gar nicht ein. Er hat ganz ohne Resultat sich entfernen müssen.«
»Wie war sein Äußeres?«
»Nicht sehr groß und nicht sehr klein. Aber Körperkraft hat der Mensch gerade wie ein Elephante. Aber, da vergesse ich gerade die Hauptsache: Nämlich er weiß auch, daß es heute im Haingrunde Etwas geben wird.«
»Alle tausend Teufel! Ich hoffe, daß Ihr Euch täuscht!«
»Leider nein! Als er uns nämlich fest hatte, sagte er, daß er hier den Helfensteiner Waldkönig gefangen habe, den anderen werde er noch heute Abend im Haingrunde erwischen. Dann nahm er Abschied.«
»So ist er wohl gar nach dem Haingrunde?«
»Jedenfalls.«
»Seit wie lange Zeit ist er fort?«
»Vielleicht drei Viertelstunden.«
»Welch ein Unglück! Wieder Alles verrathen, Alles! Wann ist es verabredet?«
»Zwei Uhr.«
»Ah! So ist noch Zeit, es abzuwenden! Ich muß fort, sogleich fort! Ich lasse anspannen!«
»Aber wir, Herr Baron?«
»Ihr fahret mit. Ich muß ganz ausführlich wissen, was geschen ist. Und da ich jetzt keine Zeit habe, Euch anzuhören, so müßt Ihr es mir unterwegs erzählen.«
»Wir können aber unmöglich mit!«
»Warum?«
»Wir waren gefangen und sind entsprungen. Man wird auf allen Wegen nach uns suchen.«
»Fatal, höchst fatal! Und doch muß ich fort und muß auch hören, was Euch geschehen ist. Wie fängt man das an?«
»Ich wüßte wohl!«
»Nun?«
»Ich weiß, daß der gnädige Herr sich zuweilen den Spaß macht, eine Perücke oder einen falschen Bart anzulegen.«
»Ja, ja; das ist das Richtige! Daran dachte ich gar nicht. Kommt, ich führe Euch unbemerkt in mein Cabinet, und wenn Ihr es verlaßt, will ich den Menschen sehen, der Euch erkennt!«
Kaum eine halbe Stunde später verließ ein zweispänniger Schlitten das Schloß. Der Graf saß vorn und lenkte die Pferde selbst. Hinter ihm lehnten zwei Herren in den Kissen, von denen der Eine einen Pelz trug und der Andere sich in einen dicken Havelock gehüllt hatte. Wer suchte in ihnen wohl die beiden Schmiede?
Als sie erst das Schloß und sodann auch das Dorf hinter sich hatten, wollte der alte Wolf zu sprechen beginnen, aber der Baron machte ein »Pst!« und warnte ihn: »Still jetzt! Wir wissen nicht, ob uns hier Jemand hören könnte! Wir befinden uns noch zu nahe an Ihrer Heimath, wo man Sie leicht an Ihrer Stimme erkennen kann. Schweigen Sie noch.«
So schoß der Schlitten schnell auf der durch den Wald führenden Straße dahin. Da mit einem Male trat ein Mann vor ihnen mitten auf dieselbe und gebot mit lauter Stimme:»Halt!«
Und als der Baron nicht sofort die Zügel anzog, sprang der Mann, um von den Pferden nicht getreten zu werden, auf die Seite, legte das Gewehr an und fuhr drohend fort: »Halt! sage ich! Oder soll ich die Pferde niederschießen?«
Jetzt folgte der Baron dem Befehle, raunte aber dabei den beiden Schmieden leise zu:
»Ihr habt Euch doch die Worte gemerkt?«
Er hatte sie nämlich während des Umkleidens instruirt, wie sie sich zu verhalten hätten, falls sie angehalten würden.
»Ja,« antwortete Wolf leise.
Der Schlitten hielt an, und jetzt traten noch drei Bewaffnete unter den Bäumen hervor. Der Erstere schien der Anführer des kleinen Piquets zu sein, denn er erkundigte sich: »Wem gehört dieser Schlitten?«
»Mir.«
»So! Bitte, wer sind Sie?«
»Warum?«
»Das mag dahin gestellt sein. Sie sehen aus meiner Uniform, daß ich Gensd’arm bin. Ich habe also jedenfalls das Recht, eine solche Frage auszusprechen, ohne die Gründe einem Jeden mittheilen zu müssen. Also, mein Herr, wer sind Sie?«
»Ich bin der Baron Franz von Helfenstein.«
»Ah! Lassen Sie sehen!«
Er trat ganz nahe an den Schlitten heran und blickte dem Baron scharf in das Gesicht.
»Ja, Sie sind es. Glücklicher Weise sind Sie mir nicht ganz unbekannt. Das erspart Ihnen Unannehmlichkeiten. Wohin wollen Sie?«
»Haben Sie auch Veranlassung zu dieser Frage?«
»Ja, sonst würde ich sie einem solchen Herrn gegenüber wohl nicht auszusprechen wagen.«
»Nun, ich will nach Hellershausen.«
Das war nicht wahr. Er wollte ja nach einem ganz anderen Ziele, hütete sich aber, dies zu nennen. Hellershausen war zwar auf dieser Straße zu erreichen, lag aber so seitwärts, daß bereits nach einer halben Stunde links eingebogen werden mußte.
»Schön! Wer sind diese beiden Herren?«
»Freunde von mir.«
»Woher? Darf ich ihre Namen
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