Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
gesprochen von der Ermordung des Hauptmannes von Hellenbach und von dem kleinen, verschwundenen Robert von Helfenstein?«
    »Weiß ich das?« stieß der Schmied hervor.
    »Wohl nicht? So gescheidt wie Ihr ist man auch. Der Herr, welcher vorhin Fürst des Elendes genannt wurde, ahnte, daß Ihr uns belauschen würdet und versteckte sich unter den Hollunder. Er hat jedes Wort gehört.«
    »Verdammt!« knirschte der Alte.
    Sein Sohn stand hinter ihm, ohne ein Wort zu sagen. Da plötzlich glänzte eine Messerklinge in seiner Hand, die frei geworden war.
    »Mir nach, Vater!«
    Mit einem raschen Schnitte fuhr er über den Strick, welcher um die Handgelenke des Alten geschlungen war, und bereits im nächsten Augenblicke schossen die Beiden über den Gottesacker hinüber.
    Die Beamten fanden im ersten Augenblicke gar keine Bewegung, dann aber sprangen sie den Flüchtlingen unter lauten Zurufen nach, Einer immer den Anderen hindernd oder über die Gräber stolpernd.
    Als sie die Mauer erreichten, waren die beiden Flüchtlinge bereits über dieselbe hinweg und schossen den Berg hinab, der Vater trotz seines Alters hart hinter dem Sohne. Dieser Letztere drehte sich um. Er bemerkte, daß sie einen Vorsprung hatten und sagte: »Ich nehme sie auf mich, Vater! Schlage Dich rechts in das Dickicht. An der Bachbrücke treffen wir uns.«
    Der Alte folgte diesem Rathe sofort. Zwar hörte er eine Weile lang noch das Rauschen der Büsche hinter sich, doch hörte dieses sehr bald auf. Jetzt ging er, vorsichtig jedes Geräusch vermeidend, langsamer und erreichte, sich immer im Dickicht haltend, nach beinahe drei Viertelstunden den angegebenen Ort, wo sein Sohn bereits auf ihn wartete.
    Sie sahen einander eine Weile stumm an, dann erhob der Alte die Hand und sagte:
    »Ich schwöre hiermit bei allen Seligen und allen Teufeln, daß ich nicht ruhen werde, bis ich ihn umgebracht habe.«
    »Den Amtmann?«
    »Den? Der ist ja ein Knabe! Nein; den Fürsten des Elendes. Er ist an Allem schuld!«
    »Und wenn Du ihn nicht triffst, so bringe ich ihn um!«
    »Wo sind die Verfolger?«
    »Hinter mir, weit zurück und zerstreut. Wir müssen weiter. Aber wohin? Das ist die Frage.«
    »Die Frage? Hier giebt es keine Frage. Wir müssen zu dem Baron. Er hat uns bestellt.«
    »Er muß Geld schaffen, denn nach Hause können wir nicht. Ja, vorwärts zu ihm.«
    Einige Zeit vorher war ein Schlitten von der Stadt her durch das Dorf und nach dem Schlosse gefahren. Der Insasse ließ sich bei dem Baron melden und wurde sofort vorgelassen. Es war Herr August Seidelmann, der Vorsteher der Brüder und Schwestern zur Seligkeit. Er mochte wichtige Nachrichten bringen, da der Baron ihn in sein innerstes Cabinet hatte kommen lassen.
    Dennoch hörte man nach einiger Zeit die Stimmen der Beiden ungewöhnlich laut, und wer da hätte horchen können, dem wäre die eigenthümliche Weise aufgefallen, in welcher der Fromme heute mit dem Baron zu sprechen beliebte.
    Der Letztere schien sich in ungewöhnlicher Aufregung zu befinden, denn er schritt hastig in dem Zimmer auf und ab und sagte:»Was geht Sie denn der Apotheker an?«
    Der Fromme antwortete in salbungsvollem Tone:
    »Er kennt alle Kräuter und Pflanzen der heiligen Schrift, von der Ceder an bis zum Isop herab, und ich wollte mich belehren lassen.«
    »Lassen Sie diese Faseleien! Ich habe Ihnen in letzter Zeit verboten, mit ihm zu verkehren.«
    »Ich traf ihn zufällig.«
    »Wo?«
    »In seiner Wohnung.«
    »Sie gehen dorthin? Und das nennen Sie zufällig?«
    »Ja. Der Grund, welcher mich hinführte, war ein ganz und gar zufälliger.«
    »Ich darf ihn doch wohl erfahren, wie ich hoffe?«
    »Warum nicht, gnädiger Herr!«
    »Nun?«
    »Ich brauchte ein kleines Tränkchen.«
    »Wozu?«
    Der Fromme zuckte die Achseln, blickte den Baron in sehr bezeichnender Weise von der Seite an und antwortete: »Es waren mir Zwei im Wege.«
    »Ich wiederhole, Sie sollen nicht faseln!«
    »Wer sagt, daß ich es thue?«
    »Was sonst?«
    »Es waren mir wirklich Zwei im Wege: Ein Riese und sodann eine Frau.«
    Jetzt merkte der Baron, was der Mann wollte.
    »Seidelmann!« fuhr er auf.
    »Euer Gnaden!« antwortete dieser in demüthigem Tone.
    »Sind Sie verrückt geworden?«
    »Nein, denn ich habe mich gehütet, von den Tropfen selbst zu nehmen. Ich will bei Sinnen bleiben.«
    »Aber, Mensch, ich begreife Sie nicht! Was haben Sie mit meinen Geheimnissen zu schaffen?«
    »Sehr viel, denke ich.«
    »Und was haben Sie für ein Recht, für eine

Weitere Kostenlose Bücher