Der verlorne Sohn
handelt, das ist denn doch die Frage. Also, heraus damit! Was ist’s mit dem Kinde?«
Der Alte schien sich vorgenommen zu haben, seinem Sohne die Schwierigkeit der Mittheilung überwinden zu lassen. Dieser antwortete: »Was soll es mit ihm sein? Es ist nicht begraben worden.«
»So? Warum nicht?«
»Weil wir es damals brauchten.«
»Wozu?«
»Es sollte verbrannt werden.«
Dieses Wort wirkte so auf den Baron, daß er mit einem starken Rucke die Pferde anhielt.
»Donnerwetter!« rief er. »Verstehe ich recht?«
»Jedenfalls.«
»Das Kind sollte verbrannt werden?«
»Ja.«
»Wohl gar an Stelle eines anderen?«
»Ja.«
Der Baron stieß zwischen den zusammengepreßten Lippen einen leisen, aber scharfen Pfiff hervor und sagte: »Kerls, nehmt Euch in Acht! Wenn meine Ahnung richtig sein sollte, so bekommt Ihr es mit mir zu thun!«
»Das wissen wir!« meinte der junge Schmied, der sich sagte, daß der Baron sich ja ebenso in ihren Händen befand, wie sie sich in den seinigen. Die Kräfte standen sich gleich.
»Wollt Ihr etwa sagen, daß das Kind der Botenfrau an Stelle des kleinen Robert verbrannt worden ist?«
»Ja, das wollte ich sagen.«
Da riß der Baron den Revolver hervor, hielt ihn auf den Alten und drohte im höchsten Zorn:
»Kerl, ich massacrire Dich!«
»Oho!« rief der Sohn. »Sehen Sie dieses Messer hier in meiner Hand? In demselben Augenblicke, an welchem Sie losdrücken, sitzt Ihnen die Klinge im Leibe! Wir sind bisher zwar Pascher, aber keine Mörder gewesen; zwingen Sie uns aber, so sind Sie der Erste, der uns zum Opfer fällt. Als Pascher haben wir Ihnen gehorcht; darüber hinaus liegt nur Unheil für Sie!«
Der Baron starrte ihn eine Weile an. Einen solchen Widerstand hatte er gar nicht für denkbar gehalten. Dann drehte er sich langsam um, steckte den Revolver ein und schlug mit der Peitsche so grimmig auf die Pferde los, daß sie erst kerzengerade in die Höhe stiegen und dann im vollen Carrière davonflogen.
Die beiden Schmiede stießen sich heimlich an. Sie merkten, daß es in ihm koche, und daß er jetzt mit sich zu Rathe gehe, wie er sich am Besten gegen sie zu verhalten habe.
Nach einer längeren Weile ließ er die Pferde wieder langsamer gehen und drehte sich zu Ihnen um. Beim Scheine des Schnees sahen sie, daß er leichenblaß war, und daß seine Augen tief in den Höhlen lagen. Er war von Dem, was er gehört hatte, bis in’s tiefste Leben getroffen worden. Seine Stimme zitterte und klang heiser, als er fragte: »Robert ist damals nicht verbrannt?«
»Nein,« antwortete der Sohn.
»Lebt er noch?«
»Ja.«
»Wo?«
»Hm! Vielleicht kommt die Zeit, in der Sie das erfahren!«
»Oho! Ich muß es erfahren, und zwar sogleich!«
»Oho!« klang es als Echo zurück. »Soll das etwa gar eine Drohung sein?«
»Ja.«
»So sehen Sie her! Ich habe das Messer noch in der Hand!«
»Pah! Ich fürchte mich vor Euch nicht!«
»Wir vor Ihnen auch nicht!«
»Ihr seid Lügner und Verräther!«
»Sie wohl nicht?«
»Donnerwetter! Mir das?«
»Ja. Wir haben Ihren Mord verheimlicht. Sie versprachen uns eine Summe dafür. Sie haben uns nur die Hälfte gegeben. Dann, als wir uns mit Ihnen in Pascherei einließen, hatten Sie uns in der Hand; wenigstens glaubten Sie das, weil Sie dachten, uns zu Mordbrennern gemacht zu haben. Aber wir waren klug gewesen, wir hatten nicht gemordet!«
»Aber doch das Schloß weggebrannt.«
»Auf Ihren Befehl! Sie sind nicht nur unser Mitschuldiger, sondern sogar der Anstifter. Wir verschonten den Knaben. Wir waren Menschen und hatten Mitleid mit ihm. Wir verbrannten lieber eine Leiche. Das war zwar auch strafbar, aber doch kein Mord. Und noch aus einem anderen Grunde ließen wir den kleinen, unschuldigen Knaben leben.«
»Aus welchem Grunde?«
»Wir hatten Sie kennen gelernt, wir wußten, daß Ihnen nicht zu trauen sei. Wenn es sich um Ihren Vortheil handelt, gilt Ihnen ein Menschenleben nichts. Wenn Sie Einen nicht mehr brauchen, so ist es aus mit ihm, damit Sie keinen Verrath zu befürchten haben!«
»Ah! Das meint Ihr! Das wißt ihr?« stieß er hervor.
»Ja, wir haben es erlebt. Darum mußten wir ein Mittel haben, Sie in unserer Hand zu behalten. Und dieses Mittel ist – – nun, rathen Sie!«
»Der Knabe!« zischte er.
»Ja, der Knabe, der Baron Robert von Helfenstein.«
»Hallunken!«
»Schön! Hallunken mögen wir sein, doch Sie sind es, der uns dazu gemacht hat. Vorher waren wir ehrliche Schmuggler.«
Er kämpfte mit sich. Es verging wohl
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