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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Veranlassung dazu? Das muß ich Sie fragen!«
    »Das Recht des Menschen und Christen.«
    »Salbadern Sie nur nicht vor mir! Sie machen sich doch nur lächerlich; das können Sie glauben.«
    »Ich will diese Lächerlichkeit tragen, wenn ich dabei nur meine und Ihre Seele rette. Der Christ entschuldigt Vieles, aber Mord, langsamer Mord durch geisttödtendes Gift, das ist schrecklich; das kann ich nicht zugeben!«
    »Aber wer spricht denn von Mord?«
    »Ich selbst.«
    »Das ist ja Blödsinn!«
    »Blödsinn? Ich war in Rollenburg.«
    Der Baron fuhr zurück. Zwischen seinen halb geschlossenen Lippen kam es beinahe pfeifend hervor:
    »In Rollenburg? Bei den Irren?«
    »Ja.«
    »Was haben Sie dort zu thun?«
    »Ich kenne den Director.«
    »Und dabei haben Sie – – nicht?«
    »Die gnädige Frau Baronin gesehen? Ja. Ich bin überzeugt, daß sie baldigst soweit hergestellt sein wird, daß sie dieses Haus verlassen kann!«
    »Sagte der Arzt dies?«
    »Nein, nur ich sage es!«
    Dies war in einem Tone gesprochen, dem man die Drohung deutlich anhören konnte. Der Baron hatte in diesem Augenblick den Anblick eines Raubthieres, welches in ohnmächtiger Wuth hinter dem Gitter die Zähne zeigt; aber es war eigenthümlich, wie nach und nach seine Züge einen ganz anderen Ausdruck annahmen. Endlich lachte er sogar herzlich auf und sagte: »Sie sind doch ein wirklicher Hans Dampf in allen Gassen! Sie tauchen überall auf: da wo Sie gebraucht werden und auch da, wohin Sie nicht gehören!«
    Der Fromme zog ein süßsaures Gesicht und antwortete, indem er leicht mit der Achsel zuckte:
    »Meine Pflicht, gnädiger Herr!«
    »Hm! Ich will das einmal zugeben. Wir sind einander gegenseitig verbunden, doch muß dabei immer die gebotene und schuldige Rücksicht herrschen. Sie können doch unmöglich von mir verlangen, Sie in alle meine Angelegenheiten und Geheimnisse einzuweihen!«
    »So Etwas habe ich noch nie gewagt! Aber meine innige Verehrung für die kranke, gnädige Frau – und der qualvolle Anblick, den sie mir in Rollenburg bot – das Achselzucken der Ärzte – während ich doch von dem Gifte gehört hatte –«
    »Wer hat mit Ihnen davon gesprochen? Wirklich der Apotheker?«
    »Ja.«
    »Aus freien Stücken?«
    »Nein. Ich kam durch Combination darauf.«
    »Er theilte Ihnen das Nähere über die Wirkung dieses sogenannten Giftes, welches aber kein Gift ist, mit?«
    »Ja. Er konnte meinen eindringlichen Reden ja auf die Dauer nicht widerstehen.«
    »Nun gut, so will ich Ihnen im Vertrauen mittheilen, daß ich höchst wichtige Gründe hatte, meiner Frau für kurze Zeit ihr jetziges Domicil zu geben. Aber in zwei Wochen wird sie dasselbe verlassen.«
    »Genesen?«
    »Vollständig. Sie werden später meine Gründe noch zu würdigen wissen.«
    Der Fromme schien beruhigt zu sein. Seine Miene glättete sich, und er antwortete:
    »Ich hoffe zu Gott, daß er diese Verheißung zur Wahrheit mache!«
    »Und ich bin gerührt über die fromme Theilnahme, welche Sie uns widmen. Ihr Bericht hat mir von Neuem bewiesen, in welch eifriger Weise Sie für mich thätig waren, und so will ich Ihnen gern die Versicherung geben, daß ich bereits über eine geeignete Weise, Ihnen dankbar zu sein, nachgedacht habe.«
    Der Schuster fühlte sich tief gerührt. Er ergriff die Hand des Barons, küßte sie und sagte:
    »Ich strebe nicht nach schnöder, irdischer Dankbarkeit, sondern einzig nur nach Schätzen, welche vom Roste und den Motten nicht gefressen und von den Dieben nicht gestohlen werden. Ihre Anerkennung ist mir mehr werth, als alle Gaben. Haben Sie sonst noch Etwas zu befehlen?«
    »Nein. Sie können Ihr Zimmer aufsuchen und sich von der Reise ausruhen. Doch, halt! Heute ist der Abend des Unternehmens im Haingrunde. Sie befanden sich noch bei ihrem Bruder, als es besprochen wurde?«
    »Ja.«
    »Winkler war doch wohl selbst da?«
    »Gewiß. Und der Andere auch.«
    »Welcher Andere?«
    »Ich kenne den Namen nicht. Er hatte auch ein sehr bedeutendes Unternehmen in petto.«
    »Hm! Mir unbegreiflich, wer das sein könnte! Ich weiß es nicht, werde es aber wohl erfahren. Gute Nacht für heute!«
    Der Fromme zog sich mit einem jetzt sehr ehrfurchtsvollen Abschiedsgruße zurück. Kaum war er hinaus, so veränderte sich das Gesicht des Barons in höchst auffallender Weise. Seine Augen sprühten Blitze; seine Brauen näherten sich drohend; seine Zähne knirschten, und seine Fäuste ballten sich.
    »Sclave! Elender!« stieß er hervor. »Heimtücker und Heuchler!

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