Der verlorne Sohn
bleiben. Sie werden hier gebraucht.«
»Ich denke, es handelt sich um einen Mord; das ist doch wichtig genug, und ein triftiger Grund, den Ort aufzusuchen?«
»Dazu ist später auch noch Zeit. Sehen wir zunächst, ob wir diesen Wächter Laube erwischen! Und dann müssen wir sofort nach Seidelmann’s Wohnung.«
»Warum dahin?«
»Sie steht, wie ich ahne, nicht nur durch einen Klingelzug, sondern auch durch einen verborgenen Gang mit dem Kohlenwerke in Verbindung. Laube muß das wissen. Wir sind gezwungen, zu Seidelmann’s zu gehen, um uns des Sohnes zu versichern, falls er doch noch entkommen wäre.«
Diese Gründe waren überzeugend. Man suchte nach dem Wächter, konnte ihn aber nicht finden. Seine Frau erklärte, daß er bereits seit etlichen Stunden abwesend sei.
»Wo ist er hin?« fragte Arndt.
»Ich weiß es nicht.«
»Sie lügen. Ich sehe es Ihnen an. Ihr Mann ist verdächtig, ein Helfershelfer des Waldkönigs zu sein. Es steht zu vermuthen, daß auch Sie davon wissen, also die Mitschuldige sind. Ich sehe mich gezwungen, Sie arretiren zu lassen.«
Die Frau erschrak. Sie zitterte am ganzen Leibe und sagte:
»Mich arretiren? Ich bin ja gänzlich unschuldig. Ich kann gar nichts dafür; ich habe ihn viele, sehr viele Male gewarnt.«
»Ah, gewarnt haben Sie ihn?«
»Ja.«
»Wovor denn?«
Sie wurde verlegen; sie sah ein, daß sie sich gefangen hatte, und antwortete stockend:
»Vor – vor dem Klingelzuge.«
»Vor welchem Klingelzuge?«
»In unserer Stube.«
»Schön! Zeigen Sie uns denselben doch einmal!«
Sie führte die Männer in ihre Wohnung. Hinter einem Schranke war eine Klingel zu bemerken und daneben ein Klingelzug, welche aber Beide nicht in Verbindung mit einander standen.
»Wohin führt der Klingelzug?« fragte Arndt. »Und woher kommt der Draht, der diese Klingel bewegt?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wirklich nicht? Nun, so müssen wir Sie solange einsperren, bis Sie die Güte haben, es zu gestehen.«
Sie erbleichte. Man sah ihr an, daß ihr angst und bange wurde.
»Ich bin ja nicht schuld,« antwortete sie.
»Das wird sich finden!«
»Ich habe gehört, daß eine Frau ihren Mann nicht anzuzeigen braucht, meine Herren!«
»Das ist doch nicht ganz so, wie Sie zu denken scheinen. Zwischen einer Frau, die ihren Mann nicht anzeigt, und einer, welche die Mitschuldige ihres Mannes wird, ist sehr schwer eine Grenze zu ziehen. Ich rathe Ihnen, aufrichtig zu sein. Haben Sie Kinder?«
»Ach ja, viere!«
»Nun, wollen Sie etwa, daß Sie von diesen Kindern weggerissen werden? Reden Sie die Wahrheit! Ich will ja gar nicht streng sein; ich will annehmen, daß Sie keine directe Schuld tragen; aber wohin dieser Klingelzug geht, das wissen Sie?«
»Ja,« gestand sie.
»Nun, wohin?«
»In das Schreibzimmer des Herrn Seidelmann. Die Klingel befindet sich dort an der hinteren Wand in einem Schranke.«
»Ihr Mann und Seidelmann gaben sich Signale?«
»Ja.«
»Zu welchem Zwecke?«
»Wenn Seidelmann meinen Mann brauchte, klingelte er, und mein Mann klingelte auch zuweilen, wenn fremde Männer kamen.«
»Wer waren diese?«
»Ich kannte sie nicht. Sie kamen auch selten in die Stube.«
»Was wollten sie?«
»Das weiß ich nicht.«
»Aber Sie ahnten es?«
»Ich dachte mir, daß sie vielleicht – Pascher seien. Aber ich durfte zu meinem Manne kein Wort davon sagen.«
»Ich sehe Ihnen an, daß Sie damit die Wahrheit sprechen. Ich will Sie nicht unglücklich machen; darum lasse ich Sie nicht arretiren. Aber bleiben Sie stets zu Hause. Vielleicht habe ich noch mit Ihnen zu sprechen. Ein Fluchtversuch würde Ihnen nur schaden!«
Die Frau fühlte sich außerordentlich erleichtert, als die Männer gingen. Diese Letzteren sahen erst einmal nach dem Treiben am Schachte, und dann begab sich Arndt mit dem Staatsanwalt und einigen Gensd’armen nach dem Städtchen. Der Obergensd’arm blieb zurück.
Eben, als sie das Kohlenwerk verließen, trafen sie auf den alten Förster, welcher abgelößt worden war. Als er hörte, daß sie nach Seidelmann’s Wohnung gehen wollten, schloß er sich ihnen an.
»Vielleicht ist da das Betttuch zu gebrauchen, welches wir bei dem todten Seidelmann fanden,« sagte er. »Ich habe es mitgebracht.«
Da das ganze Städtchen sich in Aufregung befand, so war es kein Wunder, daß auch Seidelmann’s Fenster Licht zeigten. Die Frau war zu Hause. Sie erschrak sichtlich, als sie zwei Herren in Begleitung von Gensd’armen eintreten sah.
»Kennen Sie mich?« fragte der
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