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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Staatsanwalt.
    »Ja,« antwortete sie in wahrnehmbarer Bangigkeit.
    »Wo ist Ihr Mann?«
    »Ausgegangen.«
    »Und Ihr Sohn?«
    »Auch er ging einmal fort.«
    »Wohin?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Das ist doch kaum zu glauben. Eine Frau pflegt doch stets zu wissen, wohin Mann und Sohn gegangen sind.«
    »Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Gingen die Beiden öfters des Nachts vom Hause fort?«
    »Ich habe es nicht bemerkt.«
    »Gut! Sie brauchen ja nichts zu gestehen. Wir werden dennoch erfahren, was wir wissen wollen. Führen Sie uns doch einmal in die Schreibstube Ihres Mannes.«
    Die Frau nahm den Schlüssel von der Wand und schritt voran. Dort angekommen, erblickte man einen Schreibtisch, einen Waarentisch und zwei Pulte. Neben einem dieser Letzteren, an welchem der unglückliche Schreiber Beyer gearbeitet hatte, sah man einen Schrank, an welchem die Blicke Arndt’s haften blieben.
    »Was befindet sich in dem Schranke?« fragte er.
    »Einige Bücher und –«
    »Nun – und?«
    »Und eine Klingel.«
    »Wozu diese Letztere?«
    »Ich weiß es nicht. Sie muß schon da gewesen sein, bevor wir hier einzogen.«
    »Haben nicht Sie das Haus neu gebaut?«
    »Ja.«
    »Wie kann da diese Klingel vorher da gewesen sein.«
    »Diese Stube war bereits im alten Hause, und mein Mann hat sie beibehalten.«
    »Ach so! Sie haben es oft klingeln hören?«
    »Niemals?«
    »Hm! Oeffnen Sie!«
    »Ich habe keinen Schlüssel.«
    »So, so! Da werden wir uns selbst helfen müssen. Es ist keine Zeit vorhanden, einen Schlosser zu holen.«
    Er nahm ein eisernes Lineal, welches auf dem Schreibtische lag, und sprengte damit die Thür des Schrankes auf. An der hinteren Wand desselben gewahrten sie eine Klingel und einen Klingelzug, ganz so, wie in der Stube des Nachtwächters Laube.
    »Richtig!« sagte der Staatsanwalt. »Dieser Klingelzug hier bewegt die Klingel des Wächters, und dessen Klingelzug setzt diese Klingel hier in Bewegung. Man braucht gar keine Probe anzustellen. Aber die beiden Drähte unter der Erde nach dem Kohlenschuppen zu leiten, das muß sehr schwierig gewesen sein.«
    »Nicht sehr!« antwortete Arndt.
    »Sie vergessen, daß diese Vorrichtung Geheimniß bleiben mußte. Wie hat man die Drähte legen können, ohne daß es von den Leuten bemerkt worden ist?«
    »Man hat sie nicht gelegt, sondern gezogen.«
    »Wie meinen Sie das? Beides ist wohl gleich.«
    »O nein! Die Leitung in die Erde zu legen, das wäre allerdings aufgefallen. Man hat sie gezogen, nämlich durch einen Raum, der bereits vorhanden war.«
    »Welcher Raum sollte das sein?«
    »Jedenfalls ein Stollen, auf welchem dieses Haus steht und welcher nach dem Kohlenwerke läuft.«
    »Sollte es wirklich einen solchen geben? Anzunehmen ist es allerdings.«
    »Es ist jedenfalls einer da.«
    Und sich an die Frau wendend, fragte er:
    »Giebt es hier einen unterirdischen Gang?«
    »Nein.«
    »Sie lügen!«
    Sie erröthete, aber sie schwieg. Darum fuhr Arndt fort:
    »Haben Sie Theil an Dem, was Ihr Mann und Ihr Sohn thaten, so wird heute die Strafe kommen. Ich will nicht Ihr Richter und auch nicht Ihr Ankläger sein. Sie sollen nicht gezwungen werden, Etwas zu verrathen. Aber sagen Sie uns einmal, welcher Raum sich hinter diesem Zimmer befindet. Ich meine nämlich hinter dieser Mauer, an welcher der Schrank steht?«
    »Die Kellertreppe.«
    »Schön! Jetzt, Herr Staatsanwalt, wäre es von großem Vortheil, wenn wir Eduard Hauser’s Rock und die Spitzen hier bei uns hätten.«
    Der Staatsanwalt lächelte selbstbewußt und antwortete:
    »Glauben Sie, daß ich nicht daran gedacht habe? Das, was Sie haben wollen, befindet sich hier. Geben Sie her!«
    Diese letzten Worte waren an einen der Gensd’armen gerichtet, welcher ein Paket trug und dasselbe jetzt dem Staatsanwalte überreichte.
    »Hier sind die Spitzen mit dem Rocke,« sagte der Letztere.
    »Sehr gut,« meinte Arndt im Tone der Befriedigung. »Jetzt, Frau Seidelmann, führen Sie uns einmal nach dem hinteren Zimmer der oberen Etage!«
    Die Frau mußte gehorchen. Oben angekommen, wurde sie von Arndt gefragt:
    »Giebt es hier vielleicht ein heimliches Versteck?«
    »Wozu sollte das sein? Ich kenne keines.«
    »So werden wir uns abermals selbst helfen.«
    Er stieg auf einen Stuhl und nahm das Bild herab, hinter welchem das Versteck sichtbar wurde.
    »Haben Sie das wirklich nicht gewußt?«
    »Nein.«
    »Es ist gleichgiltig, ob ich Ihnen das glaube oder nicht. Sehen wir einmal, was da zu finden ist!«
    Er griff in die Oeffnung

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