Der verlorne Sohn
war es denn?«
»Das ist Nebensache. Sodann haben wir auch entdeckt, wer die Mutter des ermordeten Mädchens ist, dessen Tod Ihre Tochter auf das Zuchthaus gebracht hat.«
»Wer ist sie?«
»Auch davon später. Ich will Ihnen nur im Vertrauen noch mittheilen, daß vorhin bereits zwei sehr gefährliche Personen in dieser Angelegenheit verhaftet sind. Weiter dürfen meine Mittheilungen nicht gehen.«
Der Alte ergriff Holms beide Hände und fragte:
»Sie geben mir also wirklich die Hoffnung, meine Tochter baldigst frei und ihre Ehre hergestellt zu sehen?«
»Ich gebe Ihnen nicht nur die Hoffnung, sondern sogar die Gewißheit. Und was ich sage, hat seinen guten Grund.«
Da brachen Werners Thränen gewaltsam hervor. Ehe Holm es zu hindern vermochte, hatte der Alte dessen Hände geküßt und stammelte schluchzend:»Gott segne Sie viele tausend, tausend Male, Herr Holm, für die Freude, welche Sie mir durch diese Worte machen. Ich kann es Ihnen nicht vergelten!« –Als der Fürst von Befour nach Hause kam, ließ er Petermann sogleich zu sich kommen. Dessen Äußeres hatte in der kurzen Zeit eine außerordentliche Änderung erlitten. Der Zug des Leidens, des Entsagens war verschwunden; das Auge hatte seinen Glanz zurück erhalten; die Haltung war eine stramme und der Gang ein elastischer geworden. Auf seinem jetzt lebhaften Gesichte war, als er jetzt vor dem Fürsten stand, die größte Ehrfurcht, Liebe und Hingebung für seinen neuen Herrn geschrieben. Dieser sagte: »Ich habe es bisher sorgfältig vermieden, an Ihrer Vergangenheit und den Geheimnissen zu rütteln, welche in Ihrer Brust verborgen liegen. Heute nun aber bietet sich mir eine sehr ernste Veranlassung, dieses mein Schweigen einmal zu brechen. Daß Sie unschuldig verurtheilt wurden, daß Sie sich aufgeopfert haben, davon bin ich überzeugt. Sind Sie gewillt, die Unehre auf sich ruhen zu lassen?«
»Ich werde nicht das Geringste thun, mich zu rechtfertigen, wenn auch der Eine, dessen Pflicht es ist, mir meine Ehre zurückzugeben, sich dieser Pflicht nicht mehr erinnert.«
»Ich kann Ihren Entschluß weder loben noch tadeln; aber ich muß Sie fragen, ob Sie Denen, die Ihnen und Ihrem Kinde wohlwollen, dasselbe Schweigen und dieselbe Unthätigkeit auferlegen wollen.«
»Nur meine Hände sind gebunden. Das Wohlwollen Anderer aber kann, darf und will ich nicht von mir weisen.«
»Das genügt, mein lieber Petermann. Haben Sie eine gewisse Wartensleben wiedergesehen?«
»Ja.«
»Ah, also doch! Werden Sie morgen das Ballet besuchen?«
»Auf keinen Fall!«
»Das war es, was ich von Ihnen wissen wollte. Ich danke!«
Am anderen Morgen, noch ehe der Fürst sein Palais verlassen hatte, wurde ihm Max Holm gemeldet. Dieser kam, um die für diesen Tag so nöthigen Instructionen zu holen und erwähnte bei dieser Gelegenheit seines gestrigen Gespräches mit dem lustigen Paukenschläger.
Während dieser Erzählung ging ein feines, leises, satyrisches Lächeln über das schöne Gesicht des Fürsten, welcher dann näher auf das Thema einging. Und als nachher Holm das Palais verließ, pfiff er während des Gehens leise und scharf vor sich hin, ganz in der Weise eines Menschen, der eine fröhliche, verheißungsvolle Erwartung in sich trägt.
Er lenkte seine Schritte nach der ihm bekannten Wohnung des Paukenschlägers. Dieser war eigentlich ein Privatschreiber, da aber seine Feder sich als nicht fruchtbar genug erwies, hatte er sich entschlossen, nebenbei die Pauken zu maltraitiren. Er hatte keine Anverwandten und war bei einer alten Wittfrau eingemiethet.
Er saß, als Holm eintrat, am Tische, hatte in der einen Hand eine Düte und rührte mit der anderen mittelst eines Löffels in einer mit Mehl gefüllten Schüssel.
»Guten Morgen, lieber Hauck!« grüßte Holm.
»Servus, Herr Holm! Recht, daß Sie kommen!«
»Ausgeschlafen?«
»Nicht gut.«
»Warum nicht? Leiden Sie am bösen Gewissen?«
»Ja und nein. Ich habe nämlich nicht schlafen können, weil ich immer an das heutige Abendessen denken mußte. Ich überlegte hin und her, ob es recht sei oder nicht, diesem Staudigel den Streich zu spielen.«
»Und das Resultat?«
»Bald pfiff es mir verlockend zu, wie eine Piccoloflöte, und bald brummte das Gewissen wie eine große Trommel, aber ich habe den Brummer zurechtgewiesen und mich entschlossen, auf Ihren Vorschlag einzugehen. Das müssen Sie ja deutlich sehen, ohne daß ich es Ihnen sage.«
»Woher denn?«
»Hier auf dem Tische.«
»Wieso?«
»Nun, da
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