Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
steht die Schüssel voll Wickelklöße, die mir meine Wirthin gestern Abend aufgehoben hatte, und hier liegen die Dreierbrodchen von heut Morgen. Ich habe nicht gegessen, um heut Abend richtig einhauen zu können.«
    »Und was rühren Sie denn da?«
    »Waizenmehl, Kaiserauszug Nummer Eins.«
    »Und was ist in der Düte?«
    »Zinnoberroth, vielleicht ist’s auch nur Boluserde, denn es kostet nur zwei Kreuzer.«
    »Wozu das?«
    »Donnerwetter! Das fragen Sie? Nun, da brate mir Einer einen Storch, aber besonders die Beine recht knusperig! Soll ich heut Abend mich als Mädchen verkleiden, sogar als Tänzerin, und fragt mich dieser Mensch, wozu ich das Mehl und die Farbe brauche! Sehen Sie sich doch einmal da dieses Handtuch an!«
    Das Handtuch hatte ein unbeschreiblich mehliges und rothes Aussehen.
    »Was haben Sie denn da gemacht?« fragte Holm.
    »Probe.«
    »Doch nicht etwa Schminkprobe?«
    »Natürlich! Was denn sonst? Ich muß ja so schön wie möglich sein! Der Puder ist mir zu theuer, da nehme ich Waizenmehl, und das Roth, nun, für zwei Kreuzer, wird wohl reichen.«
    »Unsinn! Für das Alles wird anderweit gesorgt. Ich führe Sie zu Bekannten, wo Sie Alles, was Sie brauchen, finden werden und hole Sie punkt sechs Uhr ab.«
    »Sapperment! Da bin ich selbst neugierig! Wer sind denn die Leute, zu denen Sie mich bringen?«
    »Alte, ehrwürdige Leute. Sie heißen Brandt und wohnen auf der Siegesstraße. Es soll aber später nicht von ihnen in Verbindung mit diesem Scherz gesprochen werden.«
    »Aber von mir?«
    »Wieso?«
    »Ich soll unter Umständen meine Haut allein zu Markte tragen; das heißt, wenn es schlimm abläuft?«
    »Nein. Ich garantire für Alles.«
    »Sie? Hm! Allen Respect vor Herrn Holm, aber Sie sind auch nicht allmächtig. Wenn dieser gute Herr Léon Staudigel mich bei der Parabel nimmt – –«
    »Fürchten Sie sich etwa vor ihm?«
    »Fürchten? Fällt mir gar nicht ein. Er würde sehr übel wegkommen, wenn er sich an mir vergreifen wollte. Aber wie nun, wenn er mich anzeigt?«
    »Das thut er nicht.«
    »Wer ist da sicher! So ein Mensch ist zu Allem fähig. Können Sie mir dann auch garantiren?«
    »Ich nicht, aber der Fürst.«
    »Ah, haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »Ja.«
    »Sie waren schon bei ihm?«
    »Ja. Er schickt Ihnen hier diese zehn Gulden und läßt Ihnen sagen, daß Sie heut Abend nach vollendeter Sache abermals so viel erhalten sollen?«
    »Kommt er etwa mit?«
    »Ich glaube nicht. Aber jedenfalls bin ich da.«
    »Das genügt. Wie aber komme ich dann auf’s Bellevue?«
    »Der Claqueur holt Sie ab.«
    »Wo denn?«
    »Am Theater.«
    »Sapperment! Dort kenne ich mich doch nicht aus!«
    »Haben Sie keine Sorge! Mein alter Freund Werner wird Sie von Brandts abholen und an Ort und Stelle bringen. Haben Sie sonst eine Frage?«
    »Nein, danke für jetzt.«
    »So leben Sie einstweilen wohl! Ich habe nothwendig.«
    Er ging und begab sich nach der Wohnung des Balletmeisters.
    Als er dort klingelte, öffnete die Frau des Genannten.
    »Was wünschen Sie?« erkundigte sie sich.
    »Ist der Herr Balletmeister zu sprechen?«
    »Sie meinen den Herrn Kunstmaler und Balletmeister, meinen Mann?«
    »Ja.«
    »Ich werde nachsehen.«
    Sie schloß ihm die Thür vor der Nase zu. Als sie zurückkehrte, öffnete sie nur eine Lücke und meldete: »Er ist nicht zu sprechen.«
    Im nächsten Augenblicke war die Thür wieder verschlossen. »Couragirtes Weib!« brummte Holm vor sich hin. »Aber, lassen wir uns nicht fortjagen!«
    Er wartete eine Weile und klingelte dann wieder. Die Thür öffnete sich, und nun war er so vorsichtig, das eine Bein zwischen sie und die Pfoste zu stellen.
    »Was wollen Sie?« fragte die Frau.
    »Zum Herrn Balletmeister.«
    »Sie meinen, zum Herrn Kunstmaler und Balletmeister, meinen Mann?«
    »Ja, freilich.«
    »Waren Sie nicht soeben erst hier?«
    »Vor zwei Minuten.«
    »Und ich habe Sie abgewiesen.«
    »Ja.«
    »Und Sie kommen dennoch wieder?«
    »Nein.«
    »Nicht? Sie stehen ja hier!«
    »Ich bin noch gar nicht fortgegangen.«
    »So gehen Sie nun. Ich habe nicht Zeit, mich aller zwei Minuten herausklingeln zu lassen, und mein Mann ist so sehr beschäftigt, daß er keinen einzigen Augenblick abkommen kann.«
    »Das soll er ja gar nicht.«
    »Was denn?«
    »Ich will ja zu ihm gehen, er soll nicht zu mir kommen!«
    »Das bleibt sich gleich, und ich sage Ihnen zum allerletzten Male, daß er keine Zeit hat.«
    »So muß ich gehen, aber Sie werden es bereuen!«
    Das frappirte Sie

Weitere Kostenlose Bücher