Der verlorne Sohn
antwortete:
»Mein Gott, auch das wissen Sie nicht?«
»Leider, nein! Sie sehen, wie wenig ich gelernt habe!«
»Und wie weit ich Ihnen an Kenntnissen überlegen bin. Nun, ich will Sie gern belehren. Ein Damenherr ist ein Cavalier, welcher es versteht, sich bei Damen beliebt zu machen.«
»Bei allen?«
»Ja, natürlich.«
»O weh! Das werde ich niemals lernen!«
»Warum nicht? Ich will Ihnen aufrichtig gestehen, daß ich Sie für ganz gelehrig gehalten habe.«
»Hm! Hier fehlt es wohl weniger an dem intellectuellen Können als vielmehr am guten Willen.«
»Und das gestehen Sie so aufrichtig und unbefangen ein!«
»Ich mag es nicht leugnen.«
»Nun, warum fehlt es denn am guten Willen?«
»Ich mag nicht allen Damen gefallen.«
»Haben Sie denn einen gar so triftigen Grund dazu?«
»Ja, einen sehr triftigen.«
»Darf man ihn erfahren?«
»Ja. Ich wünsche nämlich, nur einer Einzigen zu gefallen.«
»Was haben Ihnen denn die Anderen gethan?«
»Nichts, gar nichts.«
»Warum bevorzugen Sie da diese Eine nur?«
»Sie ist es werth. Sie ist die Schönste, Reinste, Beste und Anbetungswürdigste von Allen.«
»Was Sie sagen! So ein anbetungswürdiges Wesen möchte ich kennen lernen, Herr Bertram.«
»Sie kennen sie.«
»So wohnt sie hier in der Residenz?«
»Ja.«
»Wohl gar in meiner Nähe.«
»Sehr.«
»Bitte, bitte, sagen Sie mir den Namen.«
»Gnädiges Fräulein, das wäre eine Indiscretion, zu welcher ich mich nicht berufen fühle.«
»Sie Garstiger! Geben Sie mir doch wenigstens die Hoffnung, daß ich noch erfahren werde, wer sie ist.«
»Ja, das will ich Ihnen gern versprechen.«
»Schön! Und da sagen Sie mir doch einmal aufrichtig, ob Sie diese bevorzugte Dame auch so begrüßen wie mich.«
»Ganz genauso.«
»Mit einem bloßen Händedruck.«
»Ja.«
»Aber da sind Sie ihr gegenüber doch auch nicht Damenherr!«
»Ein solcher würde sie wohl anders begrüßen?«
»Natürlich!«
»In welcher Weise wohl?«
»Nun, nehmen wir an, sie giebt Ihnen die Hand –«
»Schön, schön!«
»Oder das Händchen, denn eine Angebetete hat niemals eine Hand, sondern ein Händchen, ein süßes, kleines, liebes, warmes, weiches und weißes Händchen. Nicht wahr?«
»Gewiß, gewiß! Sie haben sehr, sehr recht!«
»Also sie giebt Ihnen das Händchen, grad so, wie ich es so eben that. Das dürfen Sie doch nicht drücken!«
»Was denn?«
»Hm! Nun ja, drücken dürfen Sie es allerdings, aber nur an Ihre Lippen oder an Ihr Herz!«
»Also küssen?«
»Ja, das meine ich.«
»Aber ich weiß ja gar nicht, ob sie dies erlaubt!«
»Haben Sie sie denn noch nicht gefragt?«
»Nein.«
»Nun, so thun Sie es doch einmal ohne vorherige Bitte um Erlaubniß! Ein Herr darf Etwas wagen.«
Sie blickte ihm so gut und so treuherzig in das Gesicht. Er fühlte fast sein Herz klopfen. Er antwortete: »Das möchte ich wohl, denn muthlos bin ich eben nicht; aber es geht leider nicht, es geht nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich möchte wohl das kleine, süße Händchen küssen, aber –«
»Was, aber?«
»Aber sie hat fast immer Handschuhe an.«
Sie stieß ein helles, silbernes Lachen aus und meinte:
»So küssen Sie ein wenig oberhalb des Handschuhes!«
»Da ist die Manschette, und dann folgt der Spitzenbesatz. Ich bin wirklich recht übel daran.«
»Nun, so müssen Sie schlau sein und den Augenblick abwarten, an welchem sie einmal den Handschuh entfernt hat. Das wird doch einmal der Fall sein!«
»Ja, gewiß. Aber dann bin ich vielleicht grad abwesend.«
»Dann würde ich es ihr doch einmal recht deutlich zu verstehen geben, daß der Handschuh so störend wirkt!«
»Wird das helfen?«
»Ich bin überzeugt. Sie ist ja die Angebetete!«
»Aber sie betet mich jedenfalls nicht wieder an.«
»Hm! Ich sehe ein, daß Sie sich in einer nicht sehr angenehmen Lage befinden.«
»O, sogar in einer sehr unglücklichen!« lächelte er.
»Dann ist es meine Pflicht, Ihnen Ihr Unglück wenigstens für kurze Zeit vergessen zu machen. Ich werde dafür sorgen, daß Sie sich ein wenig zerstreuen. Bemerken Sie vielleicht, daß ich im Reitkleide bin?«
»Gewiß, gnädiges Fräulein.«
»Nun, mein Pferd steht unten. Wollen Sie mit?«
»Wohin?«
»Ein wenig vor die Stadt.«
»Wenn Sie befehlen, ja.«
»Nun, ich befehle es allerdings auf das Allerstrengste.«
»So werde ich gleich satteln lassen.«
Er entfernte sich für einige Augenblicke. Sie nahm auf seinem Schreibsessel Platz, zog einen der beiden Reithandschuhe
Weitere Kostenlose Bücher