Der verlorne Sohn
Ihnen gehört. Sie werden heut Abend hier auftreten. Ich möchte Sie gern sehen, bin aber leider nie in der Lage, das zweite Theater zu besuchen.«
Sie kamen in ein recht animirtes Gespräch mit einander. Natürlich war die Kunst der Gegenstand. Er hörte ihre Urtheile, und es war ihm anzusehen, daß er von Secunde zu Secunde mehr Sympathie für sie gewann. Das zeigte sich, als sie ging. Er nahm Gelegenheit, zugleich mit ihr den Laden zu verlassen und wies den demüthigen Gruß des Juweliers mit einem scharfen Wink zurück. Draußen vor der Thür fragte er.
»Wo logiren Sie, Fräulein?«
»Im Hotel Union.«
»Werden Sie dieses Haus zu Fuß erreichen?«
»Ich beabsichtige es.«
»So bitte ich um die Erlaubniß, Sie begleiten zu dürfen. Mein Weg führt mich da vorüber.«
Sie gingen neben einander her, er zur Linken und sie zur Rechten. Sie setzten das begonnene Gespräch fort. Ellen bemerkte, daß man allüberall die Köpfe entblößte und daß ihr Begleiter dankend nickte, aber sie hatte keine Zeit darüber nachzudenken, so fesselte er sie durch seine tiefen, geistreichen Bemerkungen.
Am Thor des Hotels blieben sie stehen. Der Portier präsentirte seinen goldbeknauften Stock und zog sich dann in ehrerbietige Entfernung zurück. Im Hintergrunde des tiefen Flures sammelte sich die Bedienung, um mit verwunderten Blicken die Beiden zu beobachten.
»Da sind wir viel zu schnell am Ziele angekommen,« sagte er. »Der Weg hätte doch noch länger sein können. Wissen Sie, daß man während des Gespräches genau hört, wie Sie tanzen?«
Sie erröthete.
»Bitte, keine Verlegenheit, mein Fräulein! Ich habe vor einer halben Stunde von Ihnen gehört. Ich traf ganz zufälliger Weise den Fürsten von Befour, der Sie jenseits des Oceans gesehen hat. Wollen Sie sich hier im Residenztheater engagiren lassen?«
»Nein.«
»Warum treten Sie dann auf?«
Sein Blick war so voll und gut auf sie gerichtet, daß sie nach keiner Ausrede suchte. Sie gestand offen: »Ich wollte hier auftreten, nur um mich sehen zu lassen. Ich suche eine mir theure Person, welche mir verlorenging.«
»Haben Sie sie gefunden?«
»Ja.«
»Also bereits vor dem Auftreten. Das freut mich. Wie ich höre, legt man Ihnen Hindernisse. Man ist Ihrer nicht werth. Könnten Sie sich nicht entschließen, sich einmal auf der Hofbühne sehen zu lassen?«
Sie zuckte leicht die Achsel.
»Ah, Sie wollen sich nicht anbieten! Recht so! Dann aber wäre es wenigstens dankenswerth von Ihnen, einmal am Hofe zu beweisen, daß Ihr Ruf die Wahrheit spricht.«
»O,« lächelte sie. »Ich bin unbekannt, ohne Protection und – Republikanerin.«
»Doch nicht etwa gar zu roth und radical?«
»O nein. Wir Frauen sind im Grunde genommen doch alle gut monarchisch gesinnt.«
»Schön, schön! Für Protection wollen wir schon sorgen. Ich gestehe Ihnen nämlich endlich, daß ich der – König bin.«
Sie erschrak keineswegs. Sie richtete ihr Auge voll und warm auf ihn und antwortete:
»Majestät, glücklich das Land, welches einen so herzensguten Vater hat!«
»Danke! Leider haben wir Väter nicht immer von großem Glück zu sagen. Ihr Künstler versteht es, die Töne, Farben, Formen und Bewegungen in glückliche Harmonie zu bringen, während wir vergeblich mit den Disharmonieen kämpfen. Kennen Sie ein Mittel dagegen?«
Es war ein wirklich seelensgutes Lächeln, mit welchem er sie bei dieser Frage anblickte.
»Ja, Majestät,« antwortete sie, zugleich erhoben und gerührt. »Ich werde für Sie beten, und ich wünsche, daß alle Ihre vielen Kinder dasselbe thun möchten. Dann wird Eintracht im Hause sein!«
»Amen!« sagte er. »Miß Ellen, Sie sind ein braves Herz; Sie sind ein Diamant. Wer mag der Meister sein, dem das große Glück beschieden sein wird, Sie in goldene Façon zu nehmen? Gott segne Sie!«
Er gab ihr die Hand und entzog sie ihr sofort wieder, als sie dieselbe küssen wollte.
»Ein edler, edler Monarch!« flüsterte sie, als sie in ihrem Zimmer den Pelz ablegte. Und auf den anderen Gedanken eingebend, fuhr sie fort: »Wer wird der Meister sein? O, ich weiß, wer es sein sollte und sein könnte! Aber er spart die kostbare Façon, weil er den Diamanten für unecht hält.«
Und in einem Hintergebäude des Altmarktes, drei Treppen hoch, saß Max Holm, den Kopf in die Hand gestützt, in trübes Sinnen versunken. Er dachte an die letzten Worte, welche sie ihm gesagt hatte.
»Vergessen Sie nie, was ich Ihnen sagte: Ich bin arm, sehr arm, viel ärmer als
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