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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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viele und so verschiedene – wie sage ich doch gleich – familiäre Rücksichtlichkeiten zur Geltung, daß Niemand so sehr verschwiegen sein muß wie ein Privatirrenarzt.«
    »Ach so! Und Doctor Zander hat ihnen trotz der kurzen Zeit, welche er hier ist, bereits in die Karten geguckt?«
    »Ja.«
    »Und Sie haben das Ausplaudern zu befürchten?«
    »Gewiß. Denken Sie an Ihren eigenen Fall. Wie nun, wenn Zander öffentlich behauptete, Sie hätten Ihre Frau absichtlich wahnsinnig gemacht?«
    »Das wäre allerdings verteufelt fatal, besonders in dem Falle, daß er seine Behauptung beweisen könnte.«
    »Hm! Was das betrifft, so ist er ein ausgezeichneter Chemiker, welcher gar nicht leicht zu täuschen sein würde.«
    »Na so wollen wir also so vorsichtig sein, wie es die Umstände uns erlauben. Kommen Sie!«
    Sie erfuhren von den Wärtern, daß Doctor Zander seinen gewöhnlichen Umgang beendet habe, und begaben sich also in seine Privatwohnung. Er empfing den Director mit achtungsvoller Freundlichkeit, den Baron aber mit einer höflich kalten Verbeugung.
    »Bitte, wollen die Herren Platz nehmen!« sagte er.
    »Das wird nicht nothwendig sein,« antwortete der Baron. »Wir gehen gleich wieder, nachdem wir eine ganz kurze Frage an Sie gerichtet haben, Herr Doctor.«
    »Hoffentlich kann ich sie zur Genüge beantworten.«
    »Ich bin überzeugt davon.«
    »Dann bitte!«
    Da legte der Baron ihm in pfiffiger Vertraulichkeit die Hand auf die Achsel und sagte:
    »Spaß beiseite, Herr Doctor, wo haben Sie meine Frau einstweilen hingebracht?«
    Zander trat sofort einen Schritt zurück. Seine Miene drückte nicht den mindesten Schreck, sondern nur Erstaunen aus.
    »Habe ich Sie recht verstanden?« fragte er.
    »Jedenfalls.«
    »Sie wollen wissen, wohin ich Ihre Frau geschafft habe?«
    »Ja.«
    »Herr Doctor Mars hat natürlich gewußt, daß Sie die Frage an mich richten wollen?«
    »Gewiß.«
    »Nun, dann haben Sie die Güte, hier in meinem Zimmer und unter meinen Effecten nachzusehen, wo ich die Vermißte versteckt habe. Ich will Ihnen dabei die nöthige Freiheit lassen, indem ich mich einstweilen entferne.«
    Und ehe sie ihn aufhalten konnten, war er zur Thür hinaus. »Abgeblitzt!« meinte der Baron.
    »Dachte es mir!«
    »Nun wissen wir gerade soviel wie vorher!«
    »Er ist unschuldig.«
    »Vielleicht nur ein Schlaukopf, der auf eine so überraschende Frage seither gefaßt gewesen ist.«
    »Ich werde von ihm um Genugthuung angegangen werden. Das ist das Einzige, was ich davon habe.«
    »Pah! Sagen Sie ihm, daß es sich um ein Mißverständniß handle; so giebt er sich zufrieden.«
    »Schwerlich. Er würde von mir verlangen, ihm dieses Mißverständniß des Näheren auseinander zu setzen.«
    »Nun, so sagen Sie ihm meinetwegen ganz aufrichtig, daß ich ihn in Verdacht gehabt habe, und daß Sie nur in mein Verfahren gewilligt hätten, um ihm Gelegenheit zu geben, mich gehörig ablaufen zu lassen. Das ist das Beste.«
    »Ja, das ist die einzige Art und Weise, meinen Kopf ohne Blamage aus der Schlinge zu ziehen.«
    »Wohin wird er sein?«
    »Jedenfalls hinab in den Garten, um seinen Ärger im Freien auszuathmen.«
    »Warten wir, bis er zurückgekehrt ist.«
    Sie begaben sich wieder nach der Wohnung des Directors, wo sie bei einer Flasche Wein den Gegenstand weiter besprachen. Da trat einer der Zellenwärter ein und überreichte dem Arzte ein Couvert.
    »Von wem?«
    »Von Herrn Doctor Zander.«
    »Wo ist er?«
    »Zum Thore hinaus.«
    »Warten.«
    Er öffnete das Couvert. Es enthielt eine Karte, auf welcher folgende Zeilen zu lesen waren:
     
    »Geehrter Herr!
     
    Nachdem Sie in eine Beleidigung willigten, die eben so unverzeihlich wie lächerlich ist, sehe ich ein, daß mir von Ihrer Seite keineswegs das Vertrauen entgegengebracht wird, ohne welches mein Wirken in Ihrer Anstalt nur schädlich anstatt heilsam sein muß. Ich halte es also für das Beste, Ihnen schnellstens Gelegenheit zu geben, sich einen anderen Assistenten zu engagiren, welcher würdiger ist, an Ihrer Seite zum Wohle der Ihnen anvertrauten Unglücklichen zu wirken. Da ich in dem vorliegenden Falle eine Kündigung nicht für nöthig halte, reise ich sofort ab und werde meine Effecten, welche schnell gepackt sind, abholen lassen Alfred Zander,
Dr. med.
«
     
    Der Irrenarzt erschrak auf das Heftigste.
    »Wie lange ist er fort?« fragte er den Wärter.
    »Seit fünf Minuten.«
    »Eile ihm nach, daß Du ihn noch erwischest! Ich lasse ihn ersuchen, doch freundlichst zu

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