Der verlorne Sohn
mit dabei und haben nach Kräften geholfen. Zuerst sagte ich ihr, daß sie sich den Cassirerposten aus dem Sinn schlagen müsse, weil ich schon einen Cassirer habe.«
»Was sagte sie dazu?«
»Sie war ganz starr vor Erstaunen. Dann sagte ich ihr, daß sie meine Tau-ma sein werde. Sie kannte das Wort nicht und fragte nach der Bedeutung desselben. Als ich es ihr erklärte, da ging es los.«
»Was?«
»Zunächst die Vorwürfe; dann das Jammern und Klagen. Sie wollte augenblicklich fort. Ich ließ sie natürlich festhalten. Sie schrie um Hilfe. Da pfiff ich ihr mit der Peitsche so ein paar scharfe Schnelzer über, daß sie vor Schmerz ordentlich in die Luft ging. Von da an weinte sie nur noch leise vor sich hin.«
»Ja, probates Mittel!«
»So eine Person verkennt ihr eigenes Glück. Sie drohte freilich selbst nachher noch mit dem Gesetz und der Polizei; aber ich machte sie auf die Bedeutung ihrer Unterschrift aufmerksam. Ich drohte, ihren Eltern Strumpf und Stiel abzupfänden, wenn sie nicht fügsam sei. Da endlich wurde sie still.«
»Da hat sie schnell Verstand angenommen!«
»Juble nicht zu früh! Ich holte die Tau-ma-Schaukel her und zeigte ihr, wie es gemacht wird. Aber da ging es von Neuem los. Sie erklärte, sie werde lieber sterben, als Arme, Hals und Brust nackt sehen zu lassen.«
»Wie dumm!«
»Na, ich habe es ihr sofort bewiesen, daß sie nicht daran stirbt, wenn sie nackend ist.«
»Wieso?«
»Ihre Kleider mußten herunter.«
»Hat sie es gelitten?«
»Pah! Ich half mit der Peitsche nach!«
»Hat sie nicht geschrieen?«
»Ja; aber dem machte ich schnell ein Ende. Ich ließ ihr einen Knebel in den Mund schieben. Dann haben wir sie an einen Balken gebunden und die ganze Nacht stehen lassen, hüben und drüben ein Laterne.«
»Ohne Kleider?«
»Das versteht sich. Man glaubt gar nicht, wie rasch sich diese dumme Schaam verliert, wenn die Kleider einmal weg sind. Sie wird es schon lernen.«
»Aber in dieser Kälte?«
»Desto besser. Das merkt sie sich und wird also gehorchen.«
»War denn Jemand bei ihr?«
»Das ganze Chor. Es war ja in der Bodenkammer, in welcher sie Alle schlafen.«
»Auch die Mannspersonen waren dabei?«
»Ja freilich.«
»Alle Teufel! Was wird das Mädel gedacht haben!«
»Sie stand an ihrem Balken wie todt. Sie hatte die Augen zu und sagte kein Wort, regte und rührte sich auch nicht. Erst heute Morgen zeigte sie Leben, als sie eine Tasse Kaffee angeboten bekam.«
»Den trank sie?«
»Ja.«
»Hat sie Etwas gesagt?«
»Bis jetzt kein einziges Wort.«
»Ist sie denn immer noch angebunden?«
»Ja. Ich lasse sie nicht eher los, als bis sie mir heilig und theuer verspricht, unbedingt zu gehorchen.«
»Und doch sind Sie keineswegs sicher!«
»Wieso?«
»Sie kann sich verstellen und dann beim öffentlichen Auftreten die Dummheit begehen, um Hilfe zu rufen.«
»Dagegen giebt es zwei Mittel.«
»Welche?«
»Ich stelle zwei Personen unsichtbar hinter die Coulissen, welche, sobald sie sich nur muxt, den Vorhang fallen lassen und ihr sofort die Gurgel zuschnüren müssen. Dem Publicum wird irgend Etwas weiß gemacht.«
»Und das andere Mittel?«
»Das erstere Mittel bestand aus Strenge, das zweite aber besteht in Liebe. Sie hat jetzt Zeit, sich unter unseren Leuten umzusehen. Es sind hübsche Kerls dabei. Der Geschäftsführer zum Beispiel ist ein Bild von einem Burschen. Geschick haben die Hallunken auch, und so dauert es sicher kaum drei oder vier Tage, so hat sie sich in den Einen oder den Anderen vergafft. Na, und wenn sie dann einmal weiß, wie angenehm die Liebe ist, und daß bei uns derselben nichts in den Weg gelegt wird, dann adieu Schamgefühl und Widerstand.«
»Das läßt sich hören. Und geben Sie ihr Gelegenheit, ihren Eltern zuweilen einige Gulden schicken zu können, so müßte es mit dem Teufel zugehen, wenn sie nicht von ganzem Herzen gern bei uns bliebe!«
»So ist es! Jetzt nun will ich hinaus, um die Dressur fortzusetzen. Gehst Du mit?«
»Hm! Warum nicht? Bekomme ich sie zu sehen?«
»Natürlich.«
»Im Evahabit?«
»Ja. Sie muß sich daran gewöhnen, sich ansehen zu lassen.«
»Da bin ich neugierig. Trinken wir also aus!«
Der Director klingelte, und die Kellnerin erschien. Er bezahlte und wendete sich mit dem Cassirer bereits dem Ausgange zu, als er eine Hand auf seiner Achsel fühlte.
»Bitte, auf ein Wort, meine Herren!«
Beide drehten sich schnell um. Vor ihnen stand Doctor Zander, welcher diese Worte gesagt hatte, und neben
Weitere Kostenlose Bücher