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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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selbst dabei!«
    »Das will ich ja! Ach, ich hatte auch ein Herz; ich fühlte, ich liebte, ich hoffte. Sein Gift hat mir das Herz erstarrt. Ich war todt, und ich will wieder sterben. Vorher aber will ich ihn verderben!«
    »Wüthen Sie nicht gegen sich selbst.«
    »Schweigen Sie! Ich sage Ihnen ja, daß ich sterben will. Mir gilt das Leben nichts; denn, wissen Sie, ich habe sie gesehen, sie, sie, sie –«
    Ihre Stimme sank zu einem Flüstern herab.
    »Wen?« fragte er.
    Da verzerrten sich ihre Züge, und sie antwortete.
    »Die Verdammten, ja, die Verdammten im ewigen Feuer! Ich lag jetzt Monate lang, aber ich konnte nicht schlafen – o, wissen Sie, was das heißt, nicht schlafen können! Das machte meine Seele glühend wie flüssiges Blei, und in dieser Gluth tauchte meine Vergangenheit auf, voller Haß, Rache, Lüge, Verrath, Meineid und Blut, ja, Blut, Blut, Blut! Es klebt hier an diesen meinen Händen, so weiß und schön sie auch zu sein scheinen. Ich wollte Baronin sein, und ich bin es auch geworden; aber ich gab mein Gewissen und meine Seligkeit dafür hin. Jetzt nun will ich beichten; vielleicht hat Gott dann Erbarmen!«
    Sie legte das Gesicht in die Hände, als ob sie weinen wolle; aber ihrem glühenden Innern konnte keine lindernde Thräne entfließen.
    »Jetzt hören Sie!« sagte sie dann. »Merken Sie wohl, daß ich jetzt ruhig und leidenschaftslos reden werde. Ich spreche von Thatsachen, nicht von Hirngespinsten, und da fließen die Worte unerregt dahin. Wollen Sie mich anhören?«
    »Wenn es Sie erleichtern kann, ja.«
    »Gut! Also zunächst ist der Baron ein Mörder.«
    »Unmöglich!«
    »O, sogar ein Doppelmörder. Er hat seinen Cousin, den Grafen Otto von Helfenstein und sodann den Hauptmann von Hellenbach während einer Nacht und des darauf folgenden Morgens ermordet!«
    »Gnädige Frau, bedenken Sie wohl, was Sie sagen!«
    »Ich sage die Wahrheit, Durchlaucht! Sie wissen wohl, daß ich einst die Zofe der Baronesse Alma von Helfenstein war?«
    »Man sprach davon.«
    »Sie glaubten es wohl nicht?«
    »Ich achtete gar nicht darauf.«
    »Nun, es verkehrte auf dem Schlosse ein Försterssohn namens Gustav Brandt. Ich liebte ihn, er aber stieß mich von sich. Ich liebe ihn noch heute, aber ich beschloß, mich zu rächen. Und die Gelegenheit kam.«
    Sie erzählte nun Alles, was an jenem fürchterlichen Abende geschehen war. Und sie erzählte es in so ruhiger, monotoner Weise, als ob sie es aus einem Buche ablese. Dann berichtete sie auch von dem Morde des Hauptmanns von Hellenbach.
    »Aber,« fragte er, »wie wollen Sie denn hier beweisen, daß der Baron und nicht Brandt der Mörder gewesen ist? Sie waren nicht dabei.«
    »Erstens hat er es mir selbst gestehen müssen, und zweitens giebt es zwei Zeugen, welche es gesehen haben.«
    »Wer sind diese?«
    »Der Schmied Wolf und sein Sohn. Sie haben hinter den Bäumen gesteckt. Sie waren Pascher, und Brandt war ja gekommen, der Schmuggelei ein Ende zu machen. Darum verriethen sie den wahren Mörder nicht?«
    »Und Sie schworen vor Gericht falsch?«
    »Ja. Ich ging vor der Verhandlung zum Baron und drohte ihn zu verrathen. Da ging er mit mir zum Pfarrer und verlobte sich mit mir.«
    »Entsetzlich!«
    »O, es kommt noch mehr!«
    »Was noch?«
    »Baron Franz war arm und hatte Schulden. Sein Cousin war nun todt; aber der kleine Robert lebte noch. Er ließ ihn tödten.«
    »Durch wen?«
    »Durch die beiden Schmiede, welche das Schloß wegbrannten.«
    »Und der Knabe verbrannte mit?«
    »Ja.«
    »Er lebt also nicht mehr?«
    »Nein.«
    »Wissen Sie das genau?«
    »Ganz genau, obgleich ich seit jener Zeit nicht wieder darüber gesprochen habe.«
    »Mein Gott! Fürchterlich!«
    »Nun erbte mein Mann die Baronie. Er konnte seinem Stande gemäß leben; aber er war nie sparsam gewesen und verschuldete sehr bald. Was thun, um Geld zu haben?«
    »Er wurde Schmuggler?«
    »Ah! Sie wissen es?«
    »Ja.«
    »Von wem?«
    »Davon später. Ihr Mann ist der eigentliche Pascherkönig, obgleich er mehrere Untergebene besitzt, welche sich ganz ebenso nennen.«
    »Gerade das wollte ich Ihnen sagen«
    »Weiter, Baronin!«
    »Was weiter?«
    »Was treibt er hier in der Stadt?«
    »Teufel! Sollten Sie auch davon wissen?«
    »Vielleicht!«
    »Sagen Sie es! Bitte!«
    »Er ist der Hauptmann!«
    »Wirklich, wirklich!« rief sie aus. »Sie wissen es. Sie wissen alles! Aber woher?«
    »Aus Zufall und weil ich mich privat für diese Angelegenheit interessire.«
    »So brauche ich Ihnen weiter kein

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