Der verlorne Sohn
bin es. Ich bin gekommen, mit Dir zusammenzurechnen, da Deine letzte Stunde nahe ist!«
Die Beiden hatten nicht bemerkt, daß die Thür sich leise geöffnet hatte. Zwei Frauen waren eingetreten, die alte Jüdin und ihre Tochter Judith. Die Erstere hatte aus dem Tone des Gespräches gehört, daß ihr Mann sich in einer nicht sehr guten Lage befinde, die Letztere war zufällig dazugekommen, und so waren sie grad in dem Augenblicke eingetreten, an welchem Levi die Worte: »Herr Sabaoth! Der Hauptmann!« ausrief.
Die Alte war schlau und besonnen genug, sofort die Thür zu verschließen, die Tochter trat einige Schritte vor und fragte:
»Der Hauptmann, der geheimnißvolle Hauptmann sind Sie?«
»Ja,« antwortete der Baron, indem er sich zu ihr herumdrehte.
Er konnte von ihr nichts erkennen als die Augen und die Nase, denn nur dies Beides allein wurde nicht von dem Tuche bedeckt, welches ihren Kopf und ihre ganze Gestalt umhüllte.
Da legte sie ihm die Hand furchtlos auf die Schulter. Es war das eine weiße, schimmernde, kräftige und doch feine Hand, was er aber gar nicht bemerkte. Sie fragte:
»Du willst mit Salomon Levi zusammenrechnen?«
»Ja, sofort!«
»Seine letzte Stunde ist nahe?«
»Ja, sehr nahe!«
»Nun, so ist auch die Deinige gekommen!«
Diese Worte wurden so ruhig und drohend gesprochen, daß der Baron unwillkürlich einen Schritt zurückwich.
»Schwätzerin!« rief er.
»Ich schwatze nicht! Wir haben von Dir gehört; wir kennen sehr viele Deiner Leute, Du bist streng und erbarmungslos. Aber wer wie wir mit Räubern und Mördern verkehrt, weiß seine Maßregeln zu treffen!«
»Ah! Welche sind das?«
»Das ist unser Geheimniß. Tust Du meinem Vater nur das Geringste zu Leide, so wirst Du dieses Haus nicht lebendig verlassen!«
Sie sagte das mit solcher Sicherheit, solcher Ueberzeugung, daß er zu glauben begann, sich in Lebensgefahr zu befinden. Darum sagte er:
»Pah! Mir macht ein Weib nicht bange. Ich habe mit Levi zusammen zu rechnen. Finde ich ihn zu leicht, so schnellt er in die Luft!«
»Und Du sinkst in die Erde. Was hast Du gegen uns?«
»Daß Ihr Bormann angezeigt habt.«
»Das durften wir.«
»Das durftet Ihr nicht. Ihr wußtet ja, daß er zu meinen Leuten gehört.«
»Er hatte den Einbruch nicht auf Dein Geheiß, sondern allein auf seine Rechnung ausgeführt.«
»Das ist allerdings der Fehler, welchen er beging, und dennoch bin ich bereit, Nachsicht walten zu lassen. Daher fordere ich nun, daß Ihr mir behilflich seid, seine Unschuld zu beweisen.«
»Das ist unmöglich! Das kann kein Mensch!«
Die beiden Alten hatten sich seit dem Eintritt der Frauen still verhalten. Nur Judith hatte gesprochen. Sie war beherzter und scharfsinniger als ihre Eltern. Auf ihre letzten Worte stieß der Baron ein kurzes, stolzes Lachen aus und sagte:
»Unmöglich? Kein Mensch kann es? Ich kenne doch Einen, der es kann, und der bin ich.«
»Wir mögen dabei nichts zu thun haben. Der Riese soll uns nicht mehr in das Haus kommen.«
Der Baron beobachtete eine kleine Pause des Nachdenkens und sagte dann:
»Er ist einer meiner besten Männer; er muß gerettet werden.«
»Rette ihn, wenn Du kannst.«
»Ohne Euch ist es unmöglich.«
»Wir haben keine Lust.«
Seine Augen blitzten zornig aus der Maske hervor; dennoch aber beherrschte er sich und sagte in ruhigem Tone:
»Er soll Euch nie wieder belästigen.«
»Das haben wir bereits jetzt erreicht. Mehr zu thun wäre überflüssig.«
»Ich werde es Euch belohnen.«
»Wir sind reich genug.«
Da endlich ging seine Selbstbeherrschung zur Neige. Er drohte:
»Bedenkt, wer ich bin. Ich kann Euch nach Belieben verderben und erhöhen. Ich fordere von Euch geradezu die Rettung des Riesen. Ich gebe Euch keine Zeit zur Ueberlegung. Auf mein Zeichen werden meine Leute hier eintreten, dann aber ist’s für Eure Rettung auch zu spät.«
Da wurde es dem Juden himmelangst. Er ergriff an Stelle seiner Tochter das Wort und fragte:
»Du sprachst von Lohn. Wieviel bietest Du?«
»Fünfhundert Thaler, keinen Pfennig weniger oder mehr.«
»Was sollen wir thun, um ihn zu retten?«
»Wem von Euch hat er die Uhren angeboten?«
»Mir selbst und Rebecca, der Frau meines Herzens.«
»Ihr seid Beide bereits vernommen worden?«
»Ja.«
»Hat man Euch ihm gegenübergestellt?«
»Noch nicht.«
»So wird es bald geschehen! Ihr habt dann nur einfach zu sagen, daß er es nicht gewesen sei.«
»Das geht nicht. Wir haben ja bereits gesagt, daß er es war!«
»Ihr
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