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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Er tritt auf als Christ und als Jude. Er hat hundert Gesichter und tausend Gestalten. Man hat einen Preis auf ihn gesetzt, aber man kann ihn nicht fangen.«
    »Fängt man auch Niemand von seiner Bande?«
    »Man fängt welche, man denkt wenigstens, daß sie zu dieser Bande gehören; aber er weiß es stets so einzurichten, daß sie entweder fliehen können oder für unschuldig befunden werden.«
    »Ein Beispiel davon möchte ich wissen.«
    »Es gibt ihrer viele. Haben Sie nichts gehört von dem Riesen Bormann?«
    »Den Namen habe ich gehört. Was ist’s mit ihm?«
    »Er war Mitglied bei einem Circus von der Kunstreiterei. Er mußte wegen Körperverletzung abgehen und wurde eingesteckt. Seit jener Zeit ist er der berühmteste Einbrecher.«
    »So mag man ihn doch wieder einstecken.«
    »Das hat man auch gethan, aber man mußte ihn stets wieder frei lassen. Es fanden sich Zeugen, welche seine Unschuld bewiesen.«
    »Nun, so ist er eben kein Einbrecher gewesen!«
    »O doch! Man weiß es ganz genau. Der Hauptmann hat ihm allemal durchgeholfen. Man weiß, daß er ein Mitglied der Bande ist.«
    »So hole der Teufel Eure Polizei und Eure Gerichte!«
    »Was können die dafür? Sie haben unter sich selbst Mitglieder der Bande. Aber jetzt endlich haben sie ihn doch fest, so daß er nicht entkommen kann.«
    »Den Riesen Bormann?«
    »Ja.«
    »Was hat er gethan?«
    »Er ist bei einem Uhrmacher eingebrochen und hat dann den Raub verkaufen wollen. Der Händler aber, zu dem er gegangen ist, der hat ihn angezeigt. Nun kann er nicht entkommen. Er wird die Frohnveste nur verlassen, um in das Zuchthaus zu gehen.«
    »Wer war dieser Händler?«
    Der Jude zögerte mit der Antwort. Der Baron wiederholte seine Frage in einem Tone, welcher einen ganz eigenthümlichen Nachdruck besaß:
    »Nun, wer war dieser ehrliche Handelsmann7«
    »Ich,« antwortete Salomon Levi, beinahe verlegen.
    Der Baron strich sich mit der Rechten nachdenklich den Bart und fragte dann, indem sein Auge trotz der Finsterniß, in welcher er sich befand, sichtbar aufleuchtete:
    »Sind Sie stets so ehrlich?«
    »Gott der Erzväter! Warum soll ich sein nur einen einzigen Augenblick meines Lebens unehrlich? Jehova ist mein Zeuge, daß es gibt keinen Flecken oder Makel auf dem Namen Salomon Levi.«
    »Ist Bormann kein Fleck?«
    Bei der Nennung dieses Namens fuhr der Jude zurück. Auf seinem Gesichte machte sich der Ausdruck der höchsten Bestürzung geltend. Der Baron fuhr in scheinbar gleichgiltigem Tone fort:
    »Soll ich noch hundert andere Namen nennen? Soll ich hinaufgehen in Ihre hintere Stube und die Wanduhr wegnehmen? Dort liegt Alles, was nothwendig ist zur Anfertigung falscher Pässe und anderer Legitimationen, welche Sie an Personen verkaufen, welche Grund haben, heimlich ihr Vaterland zu verlassen?«
    Der Eindruck dieser Worte auf Levi war unbeschreiblich. Er wurde bleich wie eine Leiche, sank vor Angst in die Kniee, streckte die Hände bittend vor und sagte:
    »O mein lieber, hochverehrtester Herr von der geheimen Polizei, Sie befinden sich in einem Irrthum, welcher ist ebenso schauderhaft wie gefährlich für mich. Ich schwöre bei – –«
    »Schweig!« donnerte ihn der Baron an. »Willst Du leugnen, daß Du bereits längst den Hehler gemacht hast für viele Mitglieder der Bande des geheimnißvollen Hauptmannes?«
    »Ja, ich leugne, ich leugne, ich muß leugnen, denn es ist nicht wahr,« rief der Jude in allerhöchster Angst.
    »Feigling! Dreifacher Feigling! Warum hast Du keinen Anderen angezeigt und nur diesen Einen, den Riesen Bormann?«
    »Er ist der Einzige, der gekommen ist; ich hätte jeden Anderen ebenso angezeigt.«
    »Lüge nicht. Hast Du Kinder?«
    »Ja. Eine Tochter hat mir der Gott Israels gegeben.«
    »Sie heißt Judith?«
    »Ja. Judith ist ihr Name. Sie ist schön wie Sulamith, aber ich habe ihr gegeben den Namen der Heldin, welche getödtet hat den Feldhauptmann Holofernes, als er belagerte die Stadt Bethulia.«
    »Nun, in diese Judith war der Riese verliebt. Er wollte sie haben, aber Du sagtest nein, und sie mochte ihn auch nicht. Er kam wieder und immer wieder, und um ihn für immer los zu werden, zeigtest Du ihn an, obgleich er zu den besten meiner Leute gehört.«
    Während dieser Worte hatte der Baron eine schwarze Maske aus der Tasche gezogen und vor das Gesicht gesteckt. Er erhob sich und trat drohend einen Schritt auf den Juden zu. Dieser fiel abermals in die Kniee und rief voller Entsetzen:
    »Herr Sabaoth! Der Hauptmann!«
    »Ja, ich

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