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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Frau desselben, daß dieser zwar ausgegangen sei, aber baldigst wiederkehren werde. Sie nöthigte ihn, in das Nebenzimmer zu treten, wo ihr Mann seine wenigen Schreibereien auszumachen pflegte. Er ließ sich dies gefallen, setzte sich dort nieder und griff, um sich die Zeit zu vertreiben, zu einem Buche, welches auf dem Tische lag.
    Die Frau hatte in der Küche zu thun. Ihr Schwiegervater, der Vater des Collecteurs, war für einige Minuten im Hofe des Gebäudes gewesen und kam in die Stube zurück, ohne zu ahnen, daß sich Jemand im Nebenzimmer befinde. Er stellte sich an das Fenster und blickte in reger Erwartung hinab auf die Straße, bis er seinen Sohn kommen sah. Als dieser in die Stube trat, sahen sie sich, Vater und Sohn, allein, und nun konnte Zander folgendes höchst interessante Gespräch durch die dünne Thür vernehmen: »Endlich, endlich! Ich habe mit Schmerzen gewartet!«

    »Es ging nicht schneller!«
    »War Salomon Levi zu Hause?«
    »Ja.«
    »Hast Du ihm den Vorschlag gemacht?«
    »Natürlich! Ich bin ja nur deshalb zu ihm gegangen.«
    »Und was sagte er?«
    »Er war natürlich sofort dabei; aber es kostete Mühe, ihn auf die fünfzigtausend Gulden zu bringen. Er bot erst gar nur fünftausend.«
    »Ihr habt also abgeschlossen?«
    »Das versteht sich ganz von selbst!«
    »Aber doch mit Vorsicht?«
    »Ja. Diesem Juden ist nicht zu trauen. Hat er einmal das Loos, so läßt er sich den Gewinn auszahlen, ohne mir einen Kreuzer zu geben.«
    »Wie hast Du es gemacht?«
    »Er mußte mir einen Wechsel auf fünfzigtausend Gulden geben und ich gab ihm einen Revers, falls er das Loos nicht bekommen sollte.«
    »Er wird es doch kriegen?«
    »Er zweifelte nicht. Er sagte, daß er den Graveur Herold unter Umständen zwingen könne, es ihm abzulassen. Dieser Kerl ist ein wahrer Satan. Er hat gar Manchen in der Hand, ohne daß man es ahnt.«
    »Welch ein Glück, daß die Depesche kam. Das große Loos. Der Telegraphist wird doch auch die Nummer ganz genau depeschirt haben!«
    »Versteht sich! Bei so etwas müssen diese Leute doppelt aufpassen. Nummer 45332! Eigentlich thut es mir leid um den Graveur!«
    »Unsinn!«
    »Er ist blutarm!«
    »Das geht uns nichts an!«
    »Er hat gewiß gehungert, um nur das Geld für das Loos zusammen zu bringen.«
    »Der Jude wird es ihm abkaufen und einen guten Preis dafür bezahlen!«
    »Laß nur um Gotteswillen meine Frau nichts von dem Handel merken! Wenn die erführe, daß wir den Graveur um hunderttausend Gulden betrügen, sie würde es nun-und nimmermehr zugeben.«
    »Was fällt Dir ein! Werde ich so etwas ausplaudern! Aber, zeige mir doch einmal den Wechsel!«
    »Hier ist er!«
    Nach einigen Augenblicken hörte Zander:
    »Ah, auf Sicht?«
    »Natürlich, das ist das Sicherste. Wenn ich zu zahlen habe, bekommt der Jude die Hälfte des Gewinnes und den Wechsel zurück. Dann sind wir quitt. Wo aber stecke ich den Wechsel hin?«
    »Verstecke ihn draußen in Deiner Stube!«
    »Nein, das darf ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil meine Frau überall herumkramt. Wenn sie ihn fände, wäre ja Alles verrathen!«
    »Ich wüßte aber weiter keinen anderen Platz.«
    »O, doch!«
    »Wo?«
    »In Deiner Schlafkammer.«
    »Da kommt doch Deine Frau täglich hinein, wenn sie mir das Bett macht.«
    »Aber in Deine Lade kann sie nicht, da hast nur Du den Schlüssel.«
    »Richtig, das geht. Wir stecken den Wechsel in die Lade, in das Beikästchen. Gieb her!«
    »Ich gehe mit. Ich muß da selbst auch sehen, wohin er zu liegen kommt. In solchen Dingen kann man nicht vorsichtig genug sein. Komm, Vater!«
    Sie gingen fort.
    Zander hatte ein jedes Wort verstanden. Er begriff leicht, um was es sich handelte; es waren sogar die Namen genannt worden. Es verstand sich ganz von selbst, daß er nicht merken lassen wollte, daß er das Gespräch belauscht habe. Darum trat er aus dem Nebenzimmer in die Wohnstube zurück und stellte sich so in die Nähe der Thür, daß die Beiden, wenn sie zurückkehrten, annehmen mußten, er sei eben erst jetzt gekommen. Und kam die Frau aus der Küche, nun, so wollte er sagen, es sei ihm da draußen die Zeit zu lang geworden.
    Er hörte auch sehr bald Schritte. Der Collecteur kam mit seinem Vater aus der Kammer zurück. Die Anwesenheit eines Fremden erweckte in ihnen kein Mißtrauen. Sie grüßten, und der Lotteriebeamte fragte Zander, was er wolle.
    »Sie kennen mich wohl nicht mehr?« fragte dieser.
    »Ich muß Sie allerdings bereits gesehen haben.«
    »Ich habe kürzlich ein

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