Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Loos bei Ihnen genommen und Ihnen da auch meinen Namen genannt.«
    »Welche Nummer?«
    »Diese hier.«
    Er gab ihm das Loos hin.
    »Ah, richtig! Sie haben wohl die Liste gelesen?«
    »Ja. Darum bin ich hier.«
    »Sie sind glücklich gewesen. Sie haben fünfhundert Gulden gewonnen.«
    »Wann werden die Gewinne ausgezahlt?«
    »Eigentlich erst am Schlusse der Lotterie. Sie möchten das Geld aber wohl schon früher?«
    »Wenn es möglich ist, allerdings.«
    »Vielleicht schon heute, jetzt?«
    »Ja.«
    »Nun, das ließe sich wohl machen. Könnten Sie sich zu einem Disconto verstehen?«
    »Wieviel?«
    »Fünf Procent.«
    »Das wären also fünfundzwanzig Gulden?«
    »Ja.«
    »Und außerdem werden auch die gewöhnlichen Verwaltungsprocente abgezogen?«
    »Freilich.«
    »Danke sehr!«
    »Na, so müssen Sie eben warten!«
    »O, vielleicht doch nicht.«
    »Wie? Was? Wie sehen Sie mich denn an? Sie lachen? Ich zahle Ihnen das Geld nicht eher, als bis zur gesetzlichen Frist. Verstanden?«
    »Ich meine, daß Sie es mir jetzt bezahlen werden.«
    »Fällt mir nicht ein!«
    »Nun, so werde ich der Direction mittheilen, daß Sie Disconto verlangt haben. Das ist verboten. Die Direction der Landeslotterie wünscht keineswegs, daß ihre Beamten nebenbei Wuchergeschäfte treiben!«
    Da richtete sich der Collecteur vor ihm in die Höhe, stemmte die Arme in die Seiten und sagte: »Ich verstehe Sie nicht! Was sagten Sie? Sprachen Sie nicht von Disconto?«
    »Ja.«
    »Ich weiß ja gar nicht, was Sie meinen!«
    »Ich meine, daß Sie kein Disconto verlangen dürfen, am Allerwenigsten aber fünf Procent.«
    »Ich? Habe ich verlangt?«
    »Natürlich!«
    »Herr, Sie sind wohl des Teufels!«
    »Schwerlich!«
    »Oder haben Sie mich falsch verstanden! Was haben Sie denn da eigentlich gehört.«
    »Ah, da ich Ihnen drohe, wollen Sie leugnen!«
    »Fällt mir gar nicht ein! Ich habe nichts gethan, was ich nachher zu leugnen hätte!«
    »Das wird sich finden. Ich weiß, was ich sage!«
    »Vater, hast vielleicht Du gehört, daß ich Disconto verlangt habe, he?«
    »Kein Wort!«
    »Sehen Sie! Sie wissen nun, woran Sie sind, und nun lassen Sie uns gefälligst in Ruhe!«
    »Das werde ich nicht. Ich werde zwar gehen, aber ich komme bald wieder, und zwar mit der Polizei.«
    »Sind Sie verrückt? Wegen des Disconto, was Sie sich nur einbilden? Packen Sie sich fort, sonst werfe ich Sie hinaus, Sie – Märchenerfinder! Mehr will ich Ihnen nicht sagen!«
    »Ist auch nicht nöthig! Ich halte Wort; ich komme wieder, aber nicht allein!«
    Er ging. Er schritt langsam und nachsinnend die Straße entlang und trat in ein Gasthaus, wo er sich ein Glas Wein und das Adreßbuch geben ließ. Er schlug nach und fand, daß der Graveur Herold und der Jude Salomon Levi fast neben einander wohnten. Er beschloß, sofort den Ersteren aufzusuchen.
    Er stieg mühsam zu der hohen Giebelwohnung empor; aber Zander war als Arzt dieses Treppensteigen in fremden, finsteren Häusern gewöhnt. Als er an die Thür klopfte, war es ihm, als wenn er drinnen ein halblautes Weinen gehört habe, welches schnell verstummte.
    Er trat ein und sah, daß er sich bei einer trauernden Familie befinde. Man war soeben beschäftigt, die Leiche einer alten Frau in einen Sarg zu legen. Ein Mann und zwei Frauen waren dabei beschäftigt; mehrere Kinder standen weinend in der Nähe.
    »Entschuldigung!« sagte er. »Mein Name ist Doctor Zander. Ich komme – –«
    »Um den Todtenschein auszustellen, Herr Doctor?« fragte der Mann schnell.
    »Nein. Ich komme nicht als Arzt, sondern in einer anderen Angelegenheit. Sind Sie Herr Graveur Herold?«
    »Ja.«
    »Kennen Sie einen Juden namens Salomon Levi?«
    »Ja. Er ist unser Hauswirth.«
    »So, so! Sind Sie vielleicht heute bereits bei ihm gewesen?«
    »Vorhin.«
    »Hat er Ihnen Etwas abgekauft?«
    »Ja,« antwortete der Gefragte, indem er den Arzt verwundert anblickte.
    »So komme ich also doch zu spät. Aber es wird sich hoffentlich nachholen lassen. Gehören diese anwesenden Personen alle zu Ihrer Familie?«
    »Nein. Diese Frau ist Heimbürgin. Die Todte ist meine Schwiegermutter.«
    »Wann ist sie gestorben?«
    »Heute in der Nacht.«
    »So eilt es also nicht so sehr, sie fortzubringen. Das Andere ist nothwendiger.«
    Und sich an die Heimbürgin wendend, fuhr er fort:
    »Liebe Frau, ich habe jetzt mit diesen Leuten eine wichtige Sache zu verhandeln, welche keinen Aufschub erleidet. Könnten Sie nicht wiederkommen?«
    »Ja, aber erst am Nachmittage.«
    »Desto

Weitere Kostenlose Bücher