Der verlorne Sohn
fallen. Vernichten Sie dann die Platten!«
»Dies wird geschehen, sobald ich nach Hause komme.«
»Aber wie steht es mit Ihrem Geldbeutel? Haben Sie Arbeit?«
»Jetzt leider nicht!«
»Und auch keine Mittel, zu leben?«
»Vielleicht bleibt mir ein Weniges übrig, wenn ich die Begräbnißkosten bezahlt habe.«
»Später werden Sie reich sein. Wenn Sie bis dahin Geld brauchen, so wenden Sie sich an mich. Jetzt nun wollen wir den Staatsanwalt aufsuchen.«
»Ja, aber bitte, vorher eine Frage!«
»Welche?«
»Sie sagten, daß der Jude auch arretirt werde?«
»Ich denke es.«
»Er wird sich an mir rächen wollen und das von den Platten sagen. Nicht?«
»Das glaube ich nicht. Es wäre eine große Dummheit von ihm. Erstens müßte er da ja eingestehen, daß er der Mitschuldige ist. Und zweitens weiß er ja gar nicht, daß Sie mit der Anzeige Etwas zu thun haben.«
»Er wird es erfahren.«
»Er wird denken, daß ich der Anzeigende bin, und das ist ja auch ganz das Richtige.«
»Aber – darf ich denn die Platten vernichten?«
»Warum nicht?«
»Eigentlich hätte ich sie auf die Polizei zu tragen.«
»Das ist richtig; aber Sie haben keineswegs die Verpflichtung, sich selbst anzuzeigen. Sie würden jedenfalls auch mit in Untersuchung kommen, wenn auch nur wegen Versuchs der Falschmünzerei. Uebrigens wird diesen Leuten auch noch auf andere Weise beizukommen sein. Also vernichten Sie getrost die Platten.«
Sie gingen nach dem Gerichtsgebäude, wo sie sich bei dem Staatsanwalt melden ließen. Sie wurden vorgelassen und erzählten ihm alles auf das Loos Bezügliche. Er hörte sie ruhig an, machte sich dabei einige Notizen und fragte dann: »Wie viel Uhr war es, als Sie sich bei dem Collecteur befanden, Herr Doctor?«
»Zehn Uhr.«
»Und um welche Zeit haben Sie Ihr Loos verkauft, Herr Herold?«
»Eine halbe Stunde später.«
»Das dürfte stimmen. Der Vater des Collecteurs weiß also auch von der Sache?«
»Gewiß,« antwortete Doctor Zander.
»Hat der Jude noch Mitschuldige?«
»Das weiß ich nicht.«
»War seine Frau oder sonst noch Wer dabei, als er Ihnen das Loos abkaufte?«
»Nein,« antwortete Herold.
»Sie wünschen also, daß dieser Kauf rückgängig gemacht werde?«
»Natürlich! Es handelt sich um hunderttausend Gulden!«
»Sie wünschen ferner die Bestrafung Beider, des Collecteurs und des Juden?«
»Das versteht sich!«
»Gut! Ich werde die Sache selbst in die Hand nehmen. Herr Herold, Sie können nach Hause gehen; Sie aber, Herr Doctor, werden mich begleiten. Bitte, warten Sie im Vorzimmer, bis ich meine Maßregeln getroffen habe!«
Der Graveur ging nach Hause, und bereits fünf Minuten später begab der Staatsanwalt sich mit Zander zu dem Collecteur. Der Doctor merkte gar wohl, daß mehrere Polizisten ihnen in einiger Entfernung folgten.
Als sie bei dem Collecteur eintraten, erkannte dieser den Doctor natürlich wieder.
»Was wollen Sie?« fuhr er ihn an. »Ich habe Sie ja fortgewiesen; gehen Sie!«
»Und ich habe Ihnen gesagt, daß ich wieder kommen werde. Ich habe Wort gehalten, wie Sie sehen!«
»Ich brauche Sie nicht. Wenn Sie sich nicht augenblicklich entfernen, werde ich Sie wegen Hausfriedensbruch anzeigen.«
Da sagte der Staatsanwalt:
»Gemach, gemach, mein Herr! Sie scheinen ganz meine Anwesenheit zu übersehen!«
»Was wollen Sie? Gehören Sie etwa zu diesem Manne da?«
»Ja.«
»Nun, so machen auch Sie, daß Sie fortkommen!«
»Das werde ich thun; vorher aber habe ich Ihnen einige Fragen vorzulegen, die Sie mir beantworten werden.«
»Oho! Was ich thun werde und thun will, das ist ganz nur meine Sache, mein Herr!«
»Nein, das ist ganz die meinige! Sie kennen mich wohl nicht?«
»Nein; ist auch nicht nöthig!«
»Da haben Sie Recht; es wäre für Sie gar nicht nöthig, mich kennen zu lernen; da Sie es aber gewollt haben, so mußte ich Ihnen wohl oder übel meinen Besuch machen.«
»Was? Ich hätte es gewollt?«
»Ja.«
»Ist mir nicht eingefallen! Sie träumen wohl, oder fehlt es Ihnen vielleicht hier?«
Er deutete bei diesen Worten nach der Stirn.
»Unterlassen Sie solche albernen Fragen! Sie selbst sind schuld, daß ich hier bin, und damit basta! Ich bin Staatsanwalt und gehe nur dann zu irgend Jemand, wenn er selbst Etwas gethan hat, was mich zu diesem Besuche zwingt.«
»Staatsanwalt?« fragte der erschrockene Collecteur.
»Ja.«
»Ah, ich errathe! Dieser Herr hat mich angezeigt.«
»Allerdings.«
»Wegen eines Looses, eines
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