Der verlorne Sohn
Sie. Ich hatte mir vorgenommen, mit möglichster Schonung zu verfahren; da Sie aber in dieser Weise auftreten, sehe ich davon ab. Ich lasse Sie also offen und unter gehöriger Polizeibedeckung nach dem Gefängnisse bringen.«
Er öffnete die Thür, zog ein kleines Pfeifchen hervor und gab das Signal. Sofort kamen eine ganze Anzahl in Civil gekleidete Polizisten zur Treppe herauf.
»Diese beiden Männer werden sich, weil Sie nicht uniformirt sind, weigern, Ihnen zu folgen. Bewachen Sie sie und holen Sie einige uniformirte Stadtgensd’armen herbei. Man lasse die Zwei nicht mit einander sprechen und schaffe sie fort, so wie sie hier sind. Sie haben diese Strenge nur sich selbst zuzuschreiben.«
Er kehrte in das Wohnzimmer zurück, um auch das Verzeichniß der Loosinhaber an sich zu nehmen.
Die Frau des Collecteurs hatte keine Ahnung von Dem, was ihr Mann begangen habe. Als sie hörte, daß ihr Mann und ihr Schwiegervater arretirt seien, brach sie in ein lautes Jammergeschrei aus. Der Beamte konnte darauf keine Rücksicht nehmen. Er entfernte sich mit Zander, um nun zu dem Juden zu gehen. Auch jetzt folgten ihnen mehrere Polizisten.
Bei Salomon Levi wurden sie, wie das hier gebräuchlich war, von der alten Rebecca empfangen.
»Was wünschen die Herren?« fragte sie.
»Ist Ihr Mann zu Hause?« erkundigte sich der Staatsanwalt.
»Ich weiß es nicht.«
»Sie werden doch das wissen!«
»Nein. Er geht oft fort, ohne es mir zu sagen. Was wollen Sie von ihm?«
»Wir haben uns nach etwas zu erkundigen.«
»Nach was?«
»Das geht Sie nichts an. Also, wo ist Ihr Mann?«
»Für Sie ist er auf keinen Fall daheim. Solche groben Menschen werden fortgeschickt!«
»Es fragt sich, ob wir uns fortschicken lassen. Gehen Sie auf die Seite, wir brauchen Platz!«
Er schob sie ohne Weiteres von der Thüre weg und öffnete diese. Sie aber drängte sich schnell hinein und rief laut: »Zu Hilfe! Zu Hilfe, Salomon Levi!«
Da öffnete sich die Thüre des zweiten Raumes, und der alte Jude trat herein.
»Was ist’s? Was giebt’s, Rebeccchen? Wer thut Dir etwas?«
»Diese Männer drängen sich mit Gewalt herein! Sie sind grob gewesen. Sie gehen nicht, obgleich ich sie fortgewiesen habe!«
»Das ist unverschämt! Soll ich nicht einmal sein Herr in meinem eigenen Hause? Soll ich schicken nach Polizei?«
»Ist nicht nöthig. Sie ist bereits da!«
»Wer? Die Polizei?«
»Ja. Ich bin Staatsanwalt!«
»Staats –! Gott Abrahams! Was hat zu suchen der Anwalt vom Staate bei Salomon Levi?«
»Das werden Sie erfahren. Gehen Sie hinaus, Frau Levi, und sorgen Sie dafür, daß wir nicht gestört werden!«
»Soll ich, Levi?«
»Ja, gehe hinaus! Diese Herren von der Polizei werden vielleicht fragen, ob Jemand bei mir hat verkauft einen gestohlenen Gegenstand. Das ist Geheimniß des Amtes, welches Niemand hören darf. Lasse keinen Menschen herein, bis wir sind geworden fertig mit unserer Unterredung.«
Die Alte gehorchte, und ihr Mann complimentirte die Beiden in seine Stube, wo er sie zum Niedersetzen nöthigte.
»So,« sagte er. »Nun bin ich neugierig, zu erfahren, was Sie sind gekommen zu fragen!«
»Ich hoffe, daß Sie uns eine wahrheitsgetreue Auskunft ertheilen!« meinte der Staatsanwalt.
»Ich werde Ihnen sagen Alles, was Sie wissen wollen.«
»Gut! Machen Sie Wechselgeschäfte?«
»Wechselgeschäfte? Was meinen Sie mit diesem Worte?«
»Ob Sie Wechsel in Zahlung nehmen?«
»Ja, nämlich wenn der Akcceptant ist ein sicherer Mann.«
»Und zahlen Sie selbst auch zuweilen in Wechseln?«
»Ja, denn ich muß doch wieder ausgeben die Papierchens, welche ich habe eingenommen.«
»Wann haben Sie das zum letzten Male gethan?«
»Werde ich nachschlagen im Buche.«
Er öffnete ein Geschäftsbuch, schlug nach und sagte dann:
»Habe ich ausgegeben vor fünf Tagen ein Acceptchen des Kaufmanns Wolkenberg, lautend auf hundert Gulden.«
»Nach dieser Zeit haben Sie keinen Wechsel ausgegeben?«
»Nein.«
»Zum Beispiel heute? Besinnen Sie sich.«
»Ich brauche nicht zu sinnen in meinem Gedächtnisse. Ich müßte es doch wissen, wenn ich ausgegeben hätte heute ein Papier.«
»Und doch behauptet man, daß Sie heute einen Wechsel acceptirt haben, Herr Levi!«
»Acceptirt? Ich selbst?«
»Ja.«
»Das ist nicht wahr.«
»Ich hoffe, daß Sie sich doch noch erinnern.«
»Herr Staatsanwalt, ich bin nicht ein reicher Mann, aber meine Arbeit hat doch wenigstens gehabt so viel Erfolg, daß ich nicht brauche zu bezahlen in Papieren,
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