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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gewinnes?«
    »Ja.«
    »Er wird da wohl von Procenten gefaselt haben, welche ich ihm hätte anrechnen wollen?«
    »Nein.«
    »Nun so wüßte ich nicht, weshalb er in Begleitung des Staatsanwaltes wiederkommt.«
    »Es handelt sich nicht um Procente, sondern um den ganzen Gewinn.«
    »Das begreife ich nicht!«
    »Ist auch für jetzt gar nicht nothwendig. Sagen Sie mir, ob Sie zuweilen Depeschen erhalten?«
    »Nur selten.«
    »Wann haben Sie die letzte erhalten?«
    Er kam in Verlegenheit, antwortete aber ziemlich schnell:
    »Vor einigen Wochen.«
    »Haben Sie nicht heute eine erhalten?«
    »Nein.«
    »Hm! Wie nun, wenn ich nach dem Telegraphenamte gehe, um mich zu erkundigen?«
    Der Collecteur sah ein, daß er nicht leugnen könne. Darum that er, als ob er sich besinne, und antwortete: »Ah, da fällt mir ein: Ja, ich erhielt heute wieder eine.«
    »Von wem?«
    »Von der Lotteriedirection.«
    »Was enthielt sie?«
    »Eine geschäftliche Neuigkeit.«
    »Was wurde Ihnen mitgetheilt?«
    »Das ist ein Geschäftsgeheimniß, Herr Staatsanwalt!«
    »Vor der Polizei giebt es kein Geschäftsgeheimniß. Sie haben mir zu antworten! Also?«
    »Man telegraphirte mir, daß das große Loos soeben gezogen worden und in meine Collecte gefallen sei.«
    »Das ist allerdings ein sehr erfreuliches Ereigniß für Sie, und zwar so erfreulich und wichtig, daß es mich außerordentlich wundert, zu sehen, daß Sie sich gerade auf diese Depesche so spät besinnen. Wer hat das betreffende Loos?«
    »Salomon Levi in der Wasserstraße.«
    »Ah, dieser! Er ist wohlhabend. Sonderbar, daß die großen Gewinne so selten Leuten zufallen, welche das Geld nothwendig brauchen. Wann erhielten Sie die Depesche?«
    »Ungefähr neun Uhr.«
    »Bitte, sie mir einmal zu zeigen!«
    »Haben Sie eine gewisse Absicht dabei?«
    »Natürlich! Ein Staatsanwalt pflegt nicht leicht irgend etwas ohne Absicht zu thun.«
    Der Collecteur öffnete ein Kästchen und nahm das Telegramm heraus, um es dem Beamten zu zeigen.
    »Hier ist es,« sagte er.
    Man hörte es dem Tone seiner Stimme an, daß er sich einigermaßen beklommen fühlte. Der Staatsanwalt betrachtete die Depesche, nickte mit dem Kopfe und sagte: »Es stimmt. Ausgefertigt acht Uhr fünfzig Minuten. Sie pflegen doch ein Verzeichniß Ihrer Kunden zu führen?«
    »Natürlich.«
    »Zeigen Sie es mir!«
    »Muß ich das?«
    »Das versteht sich ganz von selbst.«
    »Und wenn ich mich weigere?«
    »So arretire ich Sie und fordere es amtlich von Ihnen.«
    »Hier ist es.«
    Seine Hand bebte sichtlich, als er das Papierheft hingab.
    »Sehr ordentlich angelegt,« meinte der Beamte. »Die Nummern alle hübsch nach der Reihe. Hier ist die betreffende 45332. Sehen wir einmal nach! Ah, da steht doch nicht der Jude, sondern ein Anderer.«
    »Wie denn?« meinte der Collecteur, indem er, Verwunderung heuchelnd, näher trat, um in das Heft zu blicken.
    »Hier steht: Franz Herold, Graveur, Wasserstraße!«
    »Ah, ich habe den Namen nicht ausgestrichen?«
    »Warum war er zu streichen?«
    »Er hat das Loos an Salomon Levi verkauft.«
    »Wann?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »Wann haben Sie dies erfahren?«
    »Das weiß ich nicht genau.«
    »Vor kürzerer oder längerer Zeit?«
    »Es mögen einige Wochen sein.«
    »Wie haben Sie von dem Verkaufe erfahren?«
    »Der Jude theilte es mir mit.«
    »Verkehren Sie mit ihm, geschäftlich oder privatim?«
    »In keiner genannten Weise.«
    »Sie sind also nicht bei ihm gewesen?«
    »Nein.«
    »Sonderbar! Ich glaubte, heute gesehen zu haben, daß Sie in sein Haus traten.«
    »Da haben Sie mich verkannt, Herr Staatsanwalt.«
    »Oder verkehrt Ihr Vater mit ihm?«
    »Niemals.«
    »Haben Sie nicht einmal Zahlung von ihm erhalten?«
    »Ich wüßte nicht, wofür.«
    »Nun, für ein Loos.«
    »Nein.«
    »Hm! Und doch spricht man davon, daß er Ihnen einen Wechsel in Zahlung gegeben habe.«
    »Ich würde ihn gar nicht angenommen haben. Ich nehme nur baares Geld und verstehe mich überhaupt auf Wechsel nicht.«
    »Es soll sogar ein bedeutender Betrag gewesen sein!«
    »Dann erst recht nicht!«
    »Man munkelt von fünfzigtausend Gulden!«
    »Das ist ganz gewiß eine Lüge.«
    »So, so! Wo ist Ihr Vater?«
    »Er ging, bevor Sie kamen, in seine Kammer.«
    »Führen Sie uns hin!«
    Der Collecteur wankte. Man sah es ihm an, daß ihm der Schreck in die Beine gefallen war. Er mußte alle seine Kräfte zusammennehmen, um den Befehl auszuführen.
    Als sie in die Kammer traten, kramte sein Vater in alten

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