Der verlorne Sohn
welche ich habe selbst acceptirt. Meine Casse ist immer in Ordnung.«
»Das mag sein. Aber zuweilen handelt es sich um Summen, welche man nicht sofort baar in der Casse hat«
»Mit so hohen Beträgen arbeite ich nicht.«
»Hm! Spielen Sie an der Börse?«
»Nein. Ich hasse die Speculation.«
»Sie spielen wohl überhaupt nicht?«
»Nein. Das Spiel ist ein großmächtiges Laster! Es bringt die Menschen in’s Verderben, in Armuth und Schande.«
»Es giebt Spiele, welche man nicht unter die Laster zu zählen pflegt, zum Beispiel das Lotteriespiel.«
»Nein, das ist kein Laster, da hat es die Erlaubniß und Genehmigung der Regierung des Staates.«
»Spielen Sie zuweilen?«
»Noch nie.«
»Auch jetzt nicht?«
Jetzt wurde er doch bedenklich. Hatte die Anwesenheit des Staatsanwaltes etwas mit dem gekauften Loose zu schaffen? Am Liebsten hätte er geleugnet; aber es mußte ja bekannt werden, daß ihm das große Loos zugefallen sei; darum war ein Leugnen nicht recht am Platze. Er antwortete: »Ich habe es jetzt versucht zum ersten Male.«
»So? Welche Nummer haben Sie?«
»Fünfundvierzigtausenddreihundertzweiunddreißig.«
»Natürlich haben Sie das Loos in Ihrem Besitze?«
»Ja.«
»Seit wann haben Sie es?«
»Seit längerer Zeit.«
»Vom Collecteur?«
»Nein. Ich habe es gekauft von Einem, welcher brauchte Geld.«
»Wer ist dieser Mann?«
»Der Graveur Herold.«
»Sie kennen ihn also?«
»Ja. Wohnt er doch in meinem Hause.«
»Wieviel haben Sie für das Loos bezahlt?«
»Dreißig Gulden.«
»Das ist viel. Es kostet doch nur fünf!«
»Aber es ist die letzte Ziehung, wo leicht kann darauf fallen ein großer Gewinn.«
»Haben Sie nicht noch mehr dafür bezahlt?«
»Nein.«
»Nicht noch fünfzigtausend Gulden?«
Jetzt erschrak er; aber er faßte sich schnell und antwortete:. »Hält mich der Herr Staatsanwalt für verrückt?«
»Nein; ich halte Sie sogar für einen Mann, welcher sehr gut, ja außerordentlich gut zu rechnen versteht.«
»So werde ich doch nicht bezahlen ein halbes Hunderttausend für ein kleines Stück Papier!«
»Es kann ja die Hunderttausend darauf fallen!«
»Das aber weiß man nicht.«
»Allerdings. Kennen Sie den Collecteur?«
»Nein, da ich nicht von ihm selbst habe das Loos.«
»So waren Sie nicht bei ihm?«
»Niemals.«
»Aber er war bei Ihnen?«
»Auch nie!«
»Man hat ihn aber doch heute aus Ihrem Hause kommen sehen?«
»Ich weiß nichts davon!«
»Wunderbar! Kennen Sie vielleicht dieses Papier?«
Er zog den Wechsel hervor und zeigte ihn dem Juden. Dieser fuhr entsetzt zurück und rief:
»Gott der Gerechte! Wie kommt der Wechsel in Ihre Hand?«
»Ich habe ihn von dem Collecteur. Sie geben doch zu, ihn acceptirt zu haben?«
»Nein, nein! Ich weiß von Nichts, von gar Nichts!«
Er streckte die Hände mit weit aufgespreizten Fingern weit von sich ab.
»Aber es ist doch Ihre Handschrift?«
»Nein; es ist nicht meine Schrift! Wie können Sie sagen, daß es sei meine Schrift! Haben Sie gesehen meine Schrift?«
»Ja, oben hier auf diesem Accepte.«
»Ich habe es nicht geschrieben.«
»So hätte ein Anderer den Wechsel gefälscht?«
»Ja, ja, er ist gefälscht. Man wird müssen suchen nach dem Fälscher, um ihn zu bestrafen mit Gefangenschaft und Zuchthaus!«
»Na, wir werden ja sehen! Wollen Sie so gut sein, mir einmal das Loos zu zeigen, Herr Levi?«
»Warum? Aus welchem Grunde wollen Sie sehen das Loos?«
»Vielleicht ist es auch gefälscht!«
»Gott Abrahams! Kann auch werden gefälscht ein Loos?«
»Warum nicht?«
»So hätte mich betrogen dieser Herold!«
»Davon wollen wir uns jetzt einmal überzeugen!«
»Ja, ja! Wenn er hat nachgemacht das Loos, um mich zu betrügen um dreißig Gulden, so muß er werden arretirt und kommen vor die öffentliche Verhandlung!«
Er öffnete sein Pult und drückte an einer Feder, worauf ein verborgenes Fach aufsprang, aus welchem er das Loos nahm, um es dem Staatsanwalt zu zeigen. Vorher aber schob er das Fach wieder in den Verschluß zurück.
Der Beamte ließ ein befriedigtes Lächeln sehen. Er hatte genau aufgemerkt und wußte nun, wie das Fach zu öffnen sei. Diese Kenntniß war ihm nothwendig, wie er vermuthet hatte. Er betrachtete das Loos und sagte: »Es ist echt! Herold ist also kein Betrüger. Was aber werden Sie thun, wenn der Collecteur kommt, um Ihnen diesen Wechsel zu präsentiren?«
»Ich werde ihn werfen aus dem Hause.«
»Das wird er sich nicht gefallen lassen.«
»Was will er dagegen
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