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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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confisciren.«
    »Nehmen Sie ihn; er gehört nicht mir.«
    »Und sodann muß ich Sie ersuchen, sich mit mir zu dem Collecteur zu verfügen.«
    »Zum Collecteur? Was soll ich bei ihm?«
    »Hier steht seine Unterschrift. Er hat den Revers ausgestellt und wird uns also sagen können, wie dieser auf so geheimnißvolle Weise in dieses Pult gekommen ist.«
    »So werden wir ihn fragen. Ja, ich werde mitgehen.«
    »Aber leider werden wir ihn nicht zu Hause finden!«
    »Wir werden nach ihm senden, um ihn holen zu lassen.«
    »Nein, wir werden ihn dort aufsuchen, wo er ist.«
    »Weiß denn der Herr Staatsanwalt, wo er ist?«
    »Ja. Wir wollen keine Zeit verlieren. Bitte, holen Sie Ihren Hut!«
    »Ich werde schnell holen Rock und Hut. Erlauben Sie, und warten Sie eine Minute!«
    Er wollte sich entfernen; aber der Anwalt sagte:
    »Sie brauchen sich nicht selbst zu bemühen. Ihre Frau mag Ihnen holen, was Sie brauchen.«
    »Ja, Rebeccchen mag es holen.«
    Er rief seiner Frau durch die Thür, welche er öffnete, den Befehl zu, und als sie Rock und Hut brachte, sagte er ihr, daß er mit dem Herrn Staatsanwalt einen Besuch zu machen habe. Dann gingen sie fort.
    Draußen patrouillirten mehrere Personen so unauffällig wie möglich auf und ab. Als sie die Drei aus dem Hause treten sahen, zogen sie sich weiter zurück. Zander wußte, daß sie Polizisten seien und daß sie dem Anwalte und dem Juden in gemessener Entfernung folgen würden. Er selbst aber fragte den Ersteren:»Ist Ihnen meine Gegenwart noch länger nöthig, oder darf ich mich nun verabschieden?«
    »Sie können gehen, Herr Doctor. Ich danke! Wenn man Sie braucht, werden Sie Nachricht erhalten.«
    Zander ging, und zwar direct wieder zu dem Graveur, um ihm zu erzählen, was geschehen war. Bei dieser Gelegenheit bot er ihm eine Summe Geldes an, welche der arme Mann auch mit Freuden als Vorschuß in Empfang nahm.
    Salomon Levi schritt in höchst gedrückter Stimmung neben dem Staatsanwalt dahin. Was und wie würde der Collecteur antworten? Würde er leugnen?
    Zu seiner großen Beunruhigung bemerkte er, daß ihn der Beamte nach dem Gerichtsgebäude führte.
    »Wohin gehen wir, Herr Anwalt?« fragte er. »Ich denke, daß wir wollen gehen zum Collecteur?«
    »Allerdings!«
    »Aber hier ist doch das Gericht?«
    »Gewiß!«
    »Aber nicht der Collecteur?«
    »O doch! Er befindet sich hier.«
    »Was will er hier? Was hat er zu suchen im Gerichte?«

    »Das werden Sie baldigst erfahren.«
    Sie traten ein, stiegen eine Treppe empor, durchschritten einen Corridor und gelangten an eine starke, eisenbeschlagene Thüre, welche der Anwalt mit einem Schlüssel öffnete und dann sorgfältig wieder verschloß.
    Salomon Levi sah sich nun in einem langen Gange, welcher an einem vergitterten Fenster endete. Rechts und links gab es Reihen starker Thüren, über denen je ein Täfelchen hing, auf welchem ein Name stand. Die Thüren waren mit eisernen Doppelriegeln versehen. Hinten am Fenster stand ein Beamter, welcher ein großes Schlüsselbund in der Hand trug.
    »Gott der Gnädige!« stieß der Jude hervor. »Wohin haben Sie mich geführt, Herr Staatsanwalt?«
    »Bemerken Sie das nicht?«
    »Es ist ein Gefängniß.«
    »Sehr richtig!«
    »Was soll ich hier? Befindet sich hier der Collecteur?«
    »Hoffentlich! Wollen einmal fragen!«
    Der Schließer war, als er sie bemerkte, sofort näher gekommen. Der Anwalt fragte ihn:
    »Zwei Zugänge gekommen?«
    »Ja, Herr Staatsanwalt. Lotteriecollecteur Naumann nebst Vater.«
    »Bereits internirt?«
    »Noch nicht. Man ist noch bei der Einkleidung.«
    »Ah, so können wir jetzt nicht mit ihnen sprechen. Wir müssen also noch ein Wenig warten, Herr Levi. Bitte, treten Sie einstweilen hier ein!«
    Er zeigte auf eine Thür, über welcher kein Name hing. Der Schließer verstand ihn sofort und öffnete.
    »Hier eintreten?« fragte der Jude entsetzt.
    »Ja, bitte.«
    »Herr Zebaoth! Ein Loch mit einer Pritsche, einem Kübel, zwei Ketten und eisernen Stangen am Fenster!«
    »Das ist hier so gebräuchlich.«
    »Eine Gefängnißzelle!«
    »Allerdings.«
    »Gott der Gerechte! Da hinein soll ich?«
    »Ja wohl, Herr Levi!«
    »Um auf den Collecteur zu warten?«
    »Ja. Ich hoffe, daß Ihnen die Zeit nicht lang werden wird.«
    Jetzt erst begann dem Juden ein Licht aufzugehen.
    »Herr des Himmels und der Erde!« rief er. »Ich hoffe doch, daß man mich nicht warten läßt gar zu lange!«
    »Man wird diese Angelegenheit so schnell wie möglich erledigen. Haben Sie keine

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