Der verlorne Sohn
weit entfernt. Vor der Thür stand der Hausknecht, welcher sich nicht wenig wunderte, eine solche Anzahl von Polizisten auf sich zukommen zu sehen.
»Haben Sie heute viel Wagenverkehr gehabt?« fragte der Fürst.
»Ziemlich viel.«
»Behalten Sie davon über Nacht?«
»Nur zwei.«
»Ist ein Wagen aus dem Oberlande dabei?«
»Ja. Er war zweispännig.«
»Wo ist der Fuhrmann?«
»Er sitzt in der Stube und spielt Schafkopf.«
»Zeigen Sie uns den Wagen, aber vermeiden Sie dabei alles Aufsehen.«
Der Hausknecht führte sie in den Hof.
»Dort steht er,« sagte er, auf den Rollwagen deutend.
»Suchen Sie, meine Herren!«
Auf diese leise gesprochenen Worte des Fürsten traten die Polizisten an den Wagen, stiegen von allen Seiten auf und griffen unter das Stroh.
»Ah, hier steckt ein Mensch!« sagte Einer.
»Heraus mit ihm!«
Der junge Schmied wurde gepackt und emporgezogen. Er erblickte die Uniformen und wußte, woran er war.
»Alle Teufel!« schrie er auf. »Mich sollt Ihr aber doch nicht haben, Ihr Hallunken!«
Sie wußten gar nicht, wie das kam – einige Armstöße Wolf’s und die Polizisten flogen nach allen Seiten vom Wagen herunter. Ein Sprung, und er stand mitten unter ihnen. Er schlug sie auseinander, wie ein Löwe eine Hundemeute zertheilt. Dann sprang er dem Ausgange zu. Aber er sollte nicht weit kommen. Dort stand der Fürst. Die Polizisten, welche sich schnell wieder emporgerafft hatten, sahen beim Scheine der Laterne in seiner Hand Etwas metallisch hell aufblitzen, und in demselben Augenblicke lag der Schmied langgestreckt am Boden.
»Fesseln Sie ihn rasch, ehe sein Vater kommt, und legen Sie ihn einstweilen in den Stall. Wir haben keine Minute Zeit zu verlieren.«
Dieser Befehl wurde sofort befolgt. Einer sagte:
»Geben wir ihm einen Knebel, damit er nicht schreien kann.«
»Das ist nicht nothwendig,« meinte der Fürst. »Er wird unter zwei Stunden nicht erwachen.«
Sie trugen den Gefesselten in den Stall und legten ihn auf das Stroh; dann wurden sie vom Fürsten in einen finsteren Winkel beordert, wo sie nicht sogleich gesehen werden konnten.
Auch der Hausknecht mußte sich zu ihnen stellen, damit er dem Alten nicht im Wege stand, da dieser jedenfalls nur dann in den Hof kommen würde, wenn er sich unbemerkt glaubte.
Bereits nach ganz kurzer Zeit sah der Fürst ihn draußen auf der Straße langsam vorübergehen und dabei mit scharfen Blicken den Flur und den Hof mustern. Als er keinen Menschen bemerkte, kam er schnell herein, trat an den Wagen und sagte halblaut: »Pst! Ich bin wieder da!«
Und als weder eine Antwort noch irgend eine Bewegung innerhalb des Wagens erfolgte, wiederholte er: »Hörst Du? Ich bin da!«
Da erklang es in freundlichem Tone hinter ihm:
»Er ist nicht mehr d’rin!«
Auf das heftigste erschrocken, drehte er sich um. Der Fürst stand so, daß der Schein der Lampe auf sein Gesicht fiel. Dieses Gesicht hatte der Schmied gesehen; er kannte es sehr genau, sich zum Unglücke.
»Der Fürst des Elends!« sagte er bestürzt.
»Ja, ich bin es. Sie suchen Ihren Sohn? Er ist fort.«
»Donnerwetter! Wohin denn?«
Wäre er nicht gar so sehr überrascht gewesen, so hätte er sicherlich gehandelt, ohne erst zu fragen.
»Der arme Kerl ist arretirt,« sagte der Fürst.
»Arretirt?« wiederholte der Alte, der nun erst wieder zum Begreifen der Situation gelangte. »Arretirt? Aber bei allen Teufeln, mich sollt Ihr nicht bekommen!«
Er drehte sich um, in der Absicht, zu entspringen, sah sich aber sofort von den Polizisten umringt.
Nun entstand ein fürchterliches Ringen. Der Alte schlug um sich wie ein rasender Roland und brüllte vor Wut wie ein wildes Thier. Die Polizisten flogen nur so zu Boden. Der Fürst stand von fern und sah lächelnd zu.
Aber gerade das Brüllen wurde dem Alten verderblich. Die Gäste hörten es und kamen herbeigeeilt.
»Was giebt es hier? Wer ist das?«
»Der alte Schmied Wolf, der Mörder!« keuchte einer der Beamten. »Greift mit zu! Der Kerl ist wüthend.«
Da half ihm nun alle seine Kraft nichts. Dreißig, vierzig Hände streckten sich nach ihm aus. Er ward zusammengedrückt, daß er keiner Bewegung mehr fähig war, und in kurzer Zeit hatte man ihm Hand-und Fußschellen angelegt, so daß an eine Flucht nicht zu denken war.
»Den müssen wir uns ansehen!« rief es von allen Seiten. »Schafft ihn in die Stube.«
»Seinen Sohn auch!« meinte der Hausknecht. »Er liegt hier im Stalle.«
Der Alte wurde in die Stube gestoßen, sein Sohn
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