Der verlorne Sohn
alter Fuchs, dem sehr schwer beizukommen ist.«
»Vielleicht lerne ich ihn durch Sie kennen.«
»Soll mir recht sein.«
»Weiß er, daß Sie Unglück gehabt haben?«
»Ja.«
»Was sagte er, als er Sie heute bei sich sah?«
»Ich bin noch gar nicht bei ihm gewesen.«
»Ach so! Wird er Sie wirklich aufnehmen?«
»Natürlich! Der Kerl muß. Aber ich sage es Ihnen aufrichtig, daß ich mich nicht für eine Ewigkeit hier hersetzen will. Mir brennt der Boden unter den Sohlen.«
»Das begreife ich.«
»Wann werden Sie mir Arbeit geben?«
»Ich hätte eigentlich gleich heute etwas für Sie.«
»Nun, dann los damit!«
»Nein. Ich muß für Sie etwas Anderes, Besseres und auch Schwereres aufheben.«
»Freut mich! Je schwieriger, desto mehr Ehre und, wie ich hoffe, auch desto mehr Bezahlung.«
»Das versteht sich ganz von selbst.«
»Wissen Sie bereits, was dieses Bessere und Schwierigere sein wird?«
»Ich vermuthe es, ich ahne es. Es handelt sich um ein Ereigniß, welches eintreten kann, mir aber nicht lieb ist. Ich bemerkte bereits, daß es sich um den Fürsten des Elendes handelt.«
»Schön! Es sollte mich freuen, wenn ich ihm einmal etwas auswischen könnte!«
»Es wäre ein famoser Streich, den Sie ihm spielten.«
»Ich bin bereit dazu. Um was handelt es sich?«
»Um die Befreiung eines Gefangenen.«
»Ah! Hm! Das ist dumm!«
»Wieso?«
»Nun, es hat ein Jeder sein Feld, welches er am Liebsten bearbeitet. Der Eine liebt es, List anzuwenden; der Andere wieder verläßt sich auf seine körperlichen Eigenschaften. Zu der Befreiung eines Gefangenen gehört Verschlagenheit. Das ist mein Fach nicht. Ich liebe es, die Faust hier schaffen zu lassen.«
»Das sollen Sie auch.«
»Soll ich etwa mit der Faust die Gefängnißmauern zerschlagen, um den Betreffenden herauszubringen?«
»Nein. Ich will Ihnen nur sagen, daß gar keine Dosis von List erforderlich ist. Ich habe die Schlüssel.«
»Ach so! Das ist gut.«
»Ja. Ich habe diesen Fall längst vorgesehen und in Folge dessen auch dafür gesorgt, in den Besitz der Schlüssel zu kommen. Ich gebe sie Ihnen, und das Andere ist Ihre Sache.«
»Welches Gefängniß meinen Sie?«
»Das hiesige!«
»O weh, man ist hier zu sehr gewitzigt worden!«
»Das thut nichts, gar nichts! Haben Sie die Schlüssel, so ist die Sache bereits drei Viertheile gelungen.«
»Möglich! Wen soll ich herausholen?«
»Einen Herrn von Adel.«
»Schön! Schön! Ist er wohlhabend?«
»Ja, sehr.«
»So wirft es etwas ab?«
»Mehrere Tausende.«
»Donnerwetter! Das läßt sich hören! Darf ich seinen Namen erfahren?«
»Natürlich müssen Sie ihn wissen! Es ist der Baron Franz von Helfenstein.«
Bormann fuhr erstaunt zurück.
»Der Baron von Helfenstein? Dessen Palais am Markte steht?«
»Ja, derselbe.«
»Was hat denn der verbrochen?«
»Ich weiß es nicht!«
»Aber man muß doch wissen, weshalb einer gefangen ist!«
»Er ist’s noch nicht.«
»Noch nicht? Verstehe ich recht? Er ist noch nicht gefangen?«
»Nein.«
»Und ich soll ihn befreien?«
»Ja.«
»Da werde der Teufel klug. Hat er vielleicht die liebenswürdige Hoffnung, arretirt zu werden?«
»So ist es; das ist das Richtige. Nämlich der Fürst des Elendes ist sein Todfeind und führt Schlimmes gegen ihn im Schilde. Er wird ihn unter Anklage stellen und ihn arretiren lassen. Wer den Baron befreit, der spielt dem Fürsten einen geradezu kostbaren Streich.«
»Das ist ein ganz eigenthümlicher Fall. Wird denn der Baron sich befreien lassen?«
»Sehr gern sogar!«
»So ist er nicht unschuldig?«
»Nein.«
»Hm! Wunderbar! Was wird er denn nach seiner Befreiung thun?«
»Fliehen. Vielleicht in die Türkei mit Ihnen.«
»Das wäre freilich prächtig, das könnte mir passen. Zwar kommt mir diese Sache sehr räthselhaft vor; aber Sie wissen, was Sie wissen, und so will ich es auch für factisch hinnehmen. Aber sagen Sie mir, wann es sein wird?«
»Wenn er gefangen wird, so geschieht es zwischen heute und übermorgen.«
»Wie viel wird er für seine Befreiung bezahlen?«
»Wie viel verlangen Sie?«
»Wenig natürlich nicht. Die Sache ist gefährlich, und er ist ein sehr reicher Herr.«
»Ich verdenke es Ihnen nicht. Geben Sie eine Summe an.«
»Fünftausend Gulden!«
»Das ist ihm nicht zuviel.«
»Wann zahlt er sie?«
»Sofort, nachdem er das Gefängniß hinter sich hat.«
»Wenn ich nun eine kleine Anzahlung verlange?«
»Eine solche zu gewähren, ist eigentlich Unsinn von ihm, da es noch
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