Der verlorne Sohn
vernehmen.
Da aber stieß Anton den Fürsten an.
»Pst!« machte er es.
»Was giebt es?«
»Licht!«
Jetzt hielt der Fürst das Auge an eine der Lücken, welche zwischen den Ziegelsteinen gelassen worden waren, und erblickte nun wirklich zwei Männer, welche sich bei einer brennenden Laterne auf die draußen liegenden Sandsteine niedergesetzt hatten.
»Ich habe sie nicht kommen hören,« flüsterte der Fürst.
»Ich auch nicht. Der Sturm heult zu stark, und sie treten zu leise und zu vorsichtig auf.«
Die beiden Lauscher beobachteten nun mehr mit dem Auge als mit den Ohren. Es kamen mehrere Leute und immer Mehrere, Einer nach dem Anderen. Die Gesichter konnte man nicht sehen, da sie mit schwarzen Binden verhüllt waren. Es waren endlich beinahe dreißig Personen geworden.
Sie hatten sich Alle niedergesetzt, aber Keiner sprach ein Wort zu irgend einem Anderen.
Da plötzlich erhoben sich Alle von ihren Sitzen. Es kam abermals Einer, der einen weiten Mantel trug und das Gesicht verhüllt hatte wie die Anderen.
»Der Hauptmann!« flüsterte Anton.
»Setzen!« hörte man jetzt die Stimme des Hauptmannes deutlich befehlen. »Sind alle da?«
»Einer fehlt,« antwortete eine Stimme.
»Wer? Zählt vor!«
Es wurden die Ordnungsnummern von Eins an aufgerufen, und bei einer jeden antwortete einer der Männer.
»Der Schlosser fehlt jedenfalls,« sagte der Fürst leise zu Anton. »Ich habe ihn gewarnt.«
Es stellte sich heraus, daß Nummer zwanzig fehlte.
»Hat Jemand einen Auftrag erhalten?« fragte der Hauptmann in einem Tone, welchem der Unmuth deutlich anzuhören war.
»Ich,« antwortete Einer, indem er sich erhob. »Heute kam eine Frau zu mir, sagte die Parole und brachte einige Schlüssel. Ich soll sagen, Der, welcher sie schicke, sei an einer Lungenentzündung erkrankt.«
»Gut. Er hat wenigstens Wort gehalten. Euch Andern habe ich zu sagen, daß es heute einen Streich gilt, der uns große Schätze bringt. Wir gehen zum Fürsten von Befour.«
»Ah!« erklang es rundum.
»Wir haben einen Mißerfolg bei ihm gehabt; dieses Mal aber soll es anders werden. Er ist der Fürst des Elendes.«
Es ließen sich verschiedene Ausrufe des Erstaunens, des Zornes hören; dann fuhr der Hauptmann fort: »Er ist unser Erzfeind gewesen, ohne daß wir es ahnten. Heute werden wir ihn bestrafen. Ich habe einen Späher zu ihm gesandt. Er trete vor!«
Der Goldarbeiter Jacob Simeon erhob sich, freilich unerkannt von den Anderen.
»Was hast Du gefunden?« fragte der Hauptmann.
»Einer der Diener hat mich durch das ganze Palais geführt. Ich war in allen Räumen, nur in dem Zimmer des Fürsten und in dem der Baronin nicht.«
»Ah! Ist sie dort?«
»Ja.«
»Irrst Du nicht?«
»Nein. Ich habe sie gesehen; sie sprach mit uns.«
»Kennst Du das Zimmer genau?«
»Ganz genau.«
»Und dasjenige, in welchem der Fürst schläft?«
»Ja.«
»Weiter! Hast Du vom Gelde und von den Kleinodien etwas erfahren können?«
»Ich habe Alles erfahren. Die Schatzkammer ist unter dem Dache. Der Fürst hält seine Reichthümer dort für am Sichersten.«
»Hat man Dich etwa belogen?«
»Nein. Ich habe die Kästen und Schränke gesehen und weiß auch, wo die Schlüssel liegen.«
»Weiter!«
»Das ist für jetzt Alles.«
»Für jetzt? Gut! Nachher bleibst Du hier zurück, Du und auch der Andere.«
Er schwieg einige Augenblicke, wie überlegend; dann wendete er sich an die ganze Versammlung:
»Punkt drei Uhr erscheint Ihr einzeln im Garten des fürstlichen Palais, ein Jeder mit dem Gegenstande, den er mitzubringen hat. Das Uebrige erfahrt ihr dann! Jetzt könnt Ihr gehen!«
Sie entfernten sich im Gänsemarsche und nur Zwei blieben bei dem Hauptmanne zurück. Er hatte Diejenigen, mit denen er sprach, »Du« genannt, jetzt aber wendete er die Höflichkeitsform an: »Jetzt können Sie die Masken fortnehmen. Wir sind nun wieder unter uns.«
Sie gehorchten und der Fürst erkannte den Agenten und den Goldarbeiter. Der Letztere wurde gefragt: »Sie hatten mir noch mehr zu sagen?«
»Ja.«
»Was? Wie kam es, daß Ihnen die Lösung Ihrer Aufgabe so leicht geworden ist?«
»Der Fürst besuchte mich.«
»Donnerwetter! Warum?«
»Es handelte sich um die Kette mit dem Medaillon. Er wollte wissen, ob ich ein Falsificat für Salomon Levi angefertigt habe.«
»Sie konnten nicht leugnen?«
»Nein; aber ich gestand auch nicht. Um nach seiner Wohnung kommen zu können, sagte ich, daß ich erst nachschlagen müsse, und das Buch sei beim
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