Der verlorne Sohn
Viertelstunde später verließ dann auch Adolf das Local, um sich nach dem Rendez-vous zu begeben.
Er war noch nicht längst dort angelangt, so schlug es zwölf Uhr. Beim letzten Schlage der Glocke begann er mit dem Stocke zu rasseln und das Gaudeamus zu pfeifen.
Der Sturm heulte jetzt so laut, daß Adolf nicht glaubte, gehört zu werden, aber dennoch huschte eine in einen langen Mantel gehüllte Gestalt zu ihm heran, ergriff ihn am Arme und zog ihn fort.
»Kommen Sie dort hinüber,« sagte der Mann, welcher natürlich kein anderer als der Hauptmann gewesen war. »Unter jenem dunklen Portale sind wir wenigstens vor dem strömenden Regen sicher.«
Sie erreichten den Ort und drückten sich so weit zurück, daß sie selbst von einem Vorübergehenden schwerlich bemerkt werden konnten.
»Ich habe Sie gestern bestellt,« sagte der Hauptmann. »Es ist recht, daß Sie gekommen sind.«
Adolf that so, als ob er wirklich keine Ahnung habe, daß er von dem Agenten, nicht aber von dem Hauptmanne bestellt worden sei. Er antwortete:»Ich bin gewöhnt, pünktlich zu sein.«
»Das freut mich, denn in diesem Falle darf ich hoffen, daß unsere Bekanntschaft eine fruchtbringende sein werde.«
»Gestern war sie es leider nicht.«
»Wir kamen zu spät; das war nicht zu ändern.«
»Mich aber ärgert es. Ich hatte den Schmieden einmal mein Wort gegeben. Sie konnten warten.«
»Na, es ist Ihnen ja doch gelungen.«
»Aber für wie lange?«
»Wie? Sie wissen – –?«
»Daß sie wieder gefangen sind, natürlich!«
»Wer hat es Ihnen gesagt?«
»Alle Welt spricht davon. Dieser Fürst des Elendes muß ein verteufelter Kerl sein. Nicht?«
»Ein alberner Mensch ist er, der sich in Alles mischt, was ihm gar nichts angeht. Ich werde ihn bei den Haaren nehmen.«
»Wer holt die beiden dummen Kerls denn nun heraus! Hätten sie in Brückenau gewartet, bis ich kam, so wären sie jetzt frei und nicht wieder gefangen.«
»Vielleicht gelingt es ihnen abermals!«
»Meinetwegen! Mich aber geht die Sache nichts mehr an. Das Allerdümmste ist, daß ich nun nichts verdient habe!«
»Vielleicht gebe ich Ihnen eine bessere Gelegenheit, eine hinreichende Summe zu verdienen.«
»Das wäre mir recht! Ich habe heute ein Pech gehabt, welches mir meine gute Laune genommen hat.«
»Welches Pech?«
»Diese dumme Liese ist bös auf mich.«
»Wer ist das?«
»Na, die Tänzerin!«
»Ach so, Ihre Herrin?«
»Ja.«
»Weshalb denn böse? Sie sagten doch, daß Sie beiderseits sehr zufrieden seien.«
»Ich dachte es. Aber heute kam es anders.«
»Weshalb?«
»Wegen gestern. Sie hatte mich unvermuthet sehr nöthig gebraucht, und ich kam sehr spät; das hat sie geärgert. Sodann hat sie eine schwarze Negerin bei sich, die ich auch bedienen soll, obgleich sie doch nichts anderes ist, als eine dienende Person. Das gab Veranlassung zu einer Differenz. Bei dem Zanke hatte ich das Unglück, ein Service fallen zu lassen. Hurrjeh, donnerte da die Amerikanerin los!«
»War es denn werthvoll?«
»Sie sprach von über hundert Gulden.«
»War es denn ihr Eigenthum? Sie wohnt doch im Hotel!«
»Ach, die ist so eigen und eckel! Die ißt und trinkt nur aus ihrem eigenen Geschirre.«
»Will sie Ersatz?«
»Natürlich. Ich aber sagte ihr, daß ich keinen Kreuzer mein eigen nennen könne. Da kam es denn zu Redensarten, wie Tölpel, Esel und noch bessere Worte. Ich wollte das nicht leiden, und so kam es endlich so weit, daß sie mir sagte, ich solle sie nur noch hier bedienen, mitnehmen aber werde sie mich auf keinen Fall.«
Das hörte der Hauptmann gern. Adolf that, als ob er sich im Zorne befinde. In einer solchen Stimmung ist man für die Verführung viel empfänglicher, als bei ruhigem Blute.
»Das ist allerdings so eine Art von Blitzschlag für Sie!« meinte der Hauptmann.
»Natürlich! Ich brauche so sehr nothwendig Geld, woher aber welches nehmen?«
»Borgen!«
»Pah! Wer borgt mir einen einzigen Gulden!«
»Müssen Sie das Geld denn unbedingt haben?«
»Freilich! Das ist ja das Elend!«
»Sprechen Sie mit Ihrem Gläubiger.«
»Donnerwetter! Das geht nicht!«
»Warum nicht?«
»Der weiß ja gar nichts davon.«
»Auch so! Ja, ja! Der Wechsel ist ja falsch!«
»Eine verfluchte Geschichte!«
»Sie sind leichtsinnig gewesen.«
»Das sehe ich wohl ein; aber ich brauchte Geld; ich glaubte, bald besser bei Casse zu sein und den Wechsel einlösen zu können. Leider aber gerieth ich immer tiefer in Schulden. Jetzt nun habe ich nicht zehn Gulden,
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