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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Strohsacke aufstehen.«
    Erst nach mehrmaligem Klopfen antwortete der Schmied dadurch, daß er das Klopfen erwiderte.
    »Aufmachen!« klang es von draußen.
    Wolf öffnete die kleine Mittelscheibe des Fensters, die einzige, welche beweglich war. Sie hatte nicht fünf Zoll im Quadrat. Der Mann da draußen legte den Mund an die kleine Oeffnung und fragte: »Wer steckt da drin?«
    »Ich,« antwortete der Schmied.
    »Wie heißen Sie?«
    »Wolf.«
    »Das ist gut. Der Hauptmann schickt mich. Ich habe einen Auftrag auszurichten.«
    »Wozu?«
    »Sie sollen befreit werden. Haben Sie bereits etwas gestanden?«
    »Nein, gar nichts.«
    »Das ist sehr gut. Können Sie mich hören?«
    »Ja.«
    »Aber ich Sie nicht. Ich sehe Ihren Kopf gar nicht.«
    »Es ist ja dunkel in der Zelle.«
    »Kommen Sie weiter her! Ich habe Ihnen höchst Wichtiges zu sagen.«
    »Ich bin ja da!«
    »Verdammt! Ich sehe Sie nicht. Halten Sie Ihr Gesicht her! Ich will mit meinem Stocke einmal fühlen, ob Sie auch wirklich da sind. Man muß vorsichtig sein!«
    »Mit dem Stocke! Den Stock mit auf der Leiter!« brummte Wolf. »Schuft, das ist die Stockflinte!«
    Aber laut fügte er hinzu:
    »Da bin ich! Fühlen Sie!«
    In diesem Augenblicke schob der Fürst den imitirten Kopf bis hart an das Fenster. Die Stockflinte wurde hereingesteckt. Sie berührte den Kopf. Der Agent fühlte es. Er fragte: »Ist das Ihr Gesicht?«
    »Ja.«
    »Schön! Bravo! Das ist’s, was ich zu sagen habe!«
    Ein eigenthümlicher, zischender Laut – ein schneller Luftdruck, den die Anwesenden alle bemerkten – und der Fürst ließ den Kopf schnell sinken. Es wurde ganz still. Aber bereits nach kurzer Zeit rief es halblaut vom Fenster her: »Wolf!«
    Keine Antwort.
    »Wolf! Schmied!«
    Und als es auch still blieb, fragte er:
    »Warum sagen Sie nichts? Ist Etwas mit Ihnen?«
    Er lauschte einige Augenblicke lang herein; dann verschwand er vom Fenster.
    »Er ist fort, der Hund!« knirschte Wolf. »Hat er denn wirklich geschossen?«
    »Ja,« antwortete der Fürst. »Wir werden es sofort sehen. Kommen Sie heraus in den Corridor. Ich habe übrigens die Kugel fallen hören; ich glaube, sie fiel auf den Strohsack.«
    Sie traten Alle aus der Zelle heraus, wo die beiden Schließer mit den Lichtern standen. Der Fürst beleuchtete den falschen Kopf und sagte, auf die Stelle zeigend: »Hier, sehen Sie! Da ist die Kugel hinein und hier hinten wieder heraus; durch und durch!«
    »Warte, verdammte Kröte!« drohte der Schmied. »Dir soll Dein letztes Brod gebacken sein!«
    »Jetzt schnell in die andere Zelle, ehe er die Leiter wieder ersteigt!« meinte der Staatsanwalt.
    Einige Secunden später befanden sie sich in der Zelle Wolfs des Jüngeren.
    »War er da?« fragte dieser seinen Vater.
    »Ja.«
    »Hat er geschossen?«
    »Durch und durch.«
    »So mag er mir kommen!«
    »Nein! Laß mich lieber hinauf! Ich weiß nun bereits, wie es zu machen ist.«
    Er schob den Kübel an die Wand, und da klopfte es auch bereits an das Fenster. Er wartete, bis es zum dritten und vierten Male geklopft hatte, dann stieg er hinauf.
    »Wer klopft?« fragte er.
    »Wer ist da drin?«
    »Ich heiße Wolf.«
    »Schön! Ich komme vom Hauptmanne.«
    »Ah! Was wollen Sie?«
    »Ich will Sie retten. Doch sagen Sie zuerst, ob Sie etwas gestanden haben?«
    »Nein; kein Wort.«
    »Schön! Wo stecken Sie denn?«
    »Hier am Fenster.«
    »Ich sehe Sie ja gar nicht!«
    »Ist das möglich bei dieser Dunkelheit!«
    »Ich muß mich überzeugen, ob Sie es wirklich sind. Es könnte sich ein Anderer für Sie ausgeben.«
    »Wie wollen Sie sich überzeugen?«
    »Ich geben Ihnen ein Streichholz hinein. Das brennen Sie an und halten es sich vor das Gesicht.«
    »Verdammt!« murmelte der alte Schmied. »Diesmal fängt er es klüger an!«
    »Ihr Sohn muß hinauf!« flüsterte der Fürst.
    »Er wird ihn erschießen!«
    »O nein. So schnell geht es nicht. Er leuchtet sich an, läßt die Flamme fallen und duckt den Kopf nieder. Er sieht ja auch bei der Flamme den Lauf. Das darf der Mensch denn doch nicht wagen.«
    »Nun?« fragte der Agent. »Sind Sie da?«
    »Hier!« antwortete Wolf junior, welcher hinaufgestiegen war.
    »Können Sie an die Lucke langen?«
    »Ja,« meinte der Gefangene, welcher die Glastafel bereits geöffnet hatte, bevor die Anderen noch in seine Zelle gekommen waren.
    »Hier ist das Streichholz!«
    »Gut.«
    Wolf strich das Hölzchen an der Mauer an und hielt es sich, als es aufflammte, vor das Gesicht.
    »Ja, Sie sind es,« erklang

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