Der verlorne Sohn
fassen.
»Also, ich nehme ihn auf mich!« flüsterte der Hauptmann. »Ihr seid nur für Eventualitäten da.«
Er trat vor und schlug die Portière zurück. Sie war drei-, vier-und fünffach, so daß das dahinter fluthende Licht nicht durchzudringen vermocht hatte.
Der Hauptmann blieb stehen, wie festgebannt. Er hatte erwartet, in ein dunkles Schlafzimmer zu treten, und nun sah er vor sich einen glänzend erleuchteten Raum, in dessen Mitte ein Sarg auf hoher Estrade stand. Und in dem Sarge lag – der ermordete Baron Otto von Helfenstein, mit weit klaffender Halswunde, die starren, todten, aber weit geöffneten Augen fest auf den Eintretenden gerichtet.
Ein unarticulirter Schrei entrang sich der Brust des Hauptmanns. Er wankte. Da ertönte es neben ihm mit lauter Stimme: »Mörder! Das ist Dein Werk!«
Er fuhr herum.
»Brandt!« brüllte er laut auf.
Er strich mit den Armen durch die Luft, drehte sich einmal um sich selbst und schlug dann zu Boden nieder, so daß das mordbereite Messer seiner Hand entfiel.
Die vier hinter ihm Stehenden wußten nicht, was sie sagen sollten. Eine Leiche und ein Fremder, den sie gar nicht suchten! Aber sie hatten gar keine Zeit, zu einem Entschlusse zu kommen.
»Bitte, meine Herren, drehen Sie sich um!« erklang es hinter ihnen.
Als sie diesem Rufe gehorchten, sahen sie sich sechs Polizisten gegenüber.
»Himmeldonnerwetter! Verrath!« rief der Geistesgegenwärtigste von ihnen. »Stecht zu!«
Aber noch ehe sie daran dachten, die Messer zu ergreifen, sausten die Todtschläger auf ihre Köpfe nieder. In kürzerer Zeit, als einer Minute, waren sie gefesselt.
Auch dem bewußtlosen Hauptmanne band man Hände und Füße zusammen und schaffte ihn in ein anstoßendes Zimmer, wo ein Polizist als Wächter bei ihm blieb.
Jetzt nun stieg der Tode aus dem Sarge.
»Brav gemacht, Robert!« sagte der Fürst. »Puder, Farbe und Perrücke haben das Mögliche geleistet.«
»Sehe ich dem verstorbenen Baron wirklich so sehr ähnlich?« fragte der Jüngling, indem er an den Waschtisch trat, um sich das Gesicht von den aufgetragenen Falten zu reinigen.
»Sehr, außerordentlich sogar,« antwortete der Fürst. »Du warst so ähnlich, daß selbst dieser hartgesottene Sünder in Ohnmacht fiel. Jetzt aber nun einmal hinauf zu den Uebrigen!«
Die Einbrecher waren bis hinauf zu der Kammer gestiegen, welche der Goldarbeiter als diejenige bezeichnete, in welcher sich die Reichthümer des Fürsten befinden sollten. Er suchte und fand den Schlüssel und öffnete. Voller Begierde drängten sich Alle hinein. Jeder wollte der Erste sein; Keiner hatte die Absicht, sich ausschließen zu lassen.
Der Letzte bemerkte gar nicht, daß die Thür leise hinter ihm zugedrückt wurde.
»Auf mit den Kästen!« sagte Einer. »Wollen sehen, wie es Millionären zumuthe ist!«
Es war wirklich so, wie der Diener gesagt hatte: der eine Schlüssel öffnete Alles. Der erste Schrank wurde aufgeschlossen. Man denke sich die Gesichter der Räuber, welche sich mit Begierde näher drängten und nichts, gar nichts erblickten als – Steine.
»Was! Was ist das! Steine!« rief Einer, vor Enttäuschung fast ganz laut.
»Leise!« herrschte ihn sein Nachbar an. »Vielleicht sind es kostbare Erze oder so etwas Ähnliches. Oeffnen wir weiter! Es wird schon besser kommen!«
Aber, so viele Fächer und Laden sie öffneten, sie fanden nichts als Steine und wieder Steine.
»Eine Mineraliensammlung!« erklang es nun. »Tod und Teufel! Fort! Hinaus! Versäumen wir hier oben nicht die kostbare Zeit!«
Sie stießen die Thür auf. In demselben Augenblicke wurde es tageshell und sie erblickten vor sich eine übermächtige Anzahl von Polizisten, welche mit schußbereiten Karabinern ihnen gegenüber standen.
Das Entsetzen, welches sie erfaßte, läßt sich gar nicht beschreiben. Ein Einziger faßte sich schnell.
»Drauf und durch!« brüllte er auf und stürzte sich mit hoch erhobenem Messer vorwärts.
Da krachte ein Schuß. Mitten durch die Stirn getroffen, stürzte er zu Boden.
»Ergebt Euch ruhig!« sagte eine Stimme. »Es ist keine Rettung für Euch. Wer sich vorwärts bewegt, der wird einfach niedergeschossen!«
Der Fürst war es, der diese Worte sprach.
»Werft die Messer weg!« fuhr er fort.
War es die Macht seiner gebieterischen Stimme, war es die Wirkung des ersten Schreckes, oder sahen sie ein, daß es wirklich Wahnsinn sei, Widerstand zu versuchen, kurz und gut, sie ließen die Messer fallen.
»Tretet einzeln vor! Man wird
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