Der verlorne Sohn
es draußen. »Aber, können Sie nicht naher kommen?«
»Ganz gut.«
»Halten Sie Ihr Ohr her! Ich traue den Nachbarn nicht. Sie könnten am Fenster sein und Alles hören. Ich habe Ihnen Wichtiges zu sagen. Sind Sie da?«
»Ja.«
»Warte, ich werde fühlen.«
Er fuhr mit der Stockflinte herein und stieß an den Kopf, welchen der Fürst nun hinhielt. Dasselbe Geräusch und derselbe Wind wie vorhin, dann hörten Alle die Kugel auf die Diele fallen. Der Schall war diesmal nicht durch den Strohsack gedämpft worden.
Natürlich hatte der Fürst das Tücherbündel sofort vom Fenster wieder zurückgezogen. Jetzt verging eine kleine Weile, dann fragte jemand am Fenster: »Wolf!«
Es antwortete natürlich Niemand.
»Wolf! Reden Sie doch!«
Es blieb still.
»Was ist denn so plötzlich mit Ihnen?«
Und als er auch jetzt keine Antwort erhielt, entfuhr es ihm in triumphirendem Tone:
»Fertig! Das habe ich famos gemacht. Zweitausend Gulden sind verdient!«
Er verschwand vom Fenster.
»Zweitausend Gulden also!« sagte der alte Schmied. »Der Hauptmann hat ihm also zweitau – –«
»Still!« befahl der Fürst. »Horchen wir!«
Sie lauschten auf, und zwar nicht vergebens.
»Kreuzhimmel –!« erklang es erschrocken von unten herauf; dann hörte man nichts mehr.
»Sie haben ihn fest!« sagte der Staatsanwalt.
»Ah, er ist ergriffen worden?« fragte der Alte.
»Natürlich!«
»Herr Staatsanwalt, Herr Brandt, dürfen wir diesen Menschen auch sehen?«
»Ja, im Verhör.«
»Nein, jetzt. Zeigen Sie ihn mir jetzt, und ich will Alles gestehen, alles, was Sie nur hören wollen.«
»Wenn Sie versprechen, sich nicht an ihm zu vergreifen.«
»Ich thue ihm nichts!«
»So kommen Sie!«
Draußen zeigte es sich, daß die Kugel abermals durch die Tücher hindurch gedrungen war.
»Durch diese elastische Masse!« sagte der Fürst kopfschüttelnd. »Das habe ich keiner Windbüchse zugetraut. Durch die wirklichen Köpfe wäre sie also noch viel, viel leichter gedrungen! Doch kommen Sie!«
Sie begaben sich möglichst schnell hinab in das Zimmer des Wachtmeisters. Kaum hatten sie Platz genommen – natürlich außer den beiden Schmieden, welche stehen bleiben mußten – so wurde der Gefangene hereingebracht, dem die Hände auf den Rücken gebunden waren.
Hatte ihm bereits im Hofe der Schreck das Wort im Munde abgeschnitten, so war er nun hier geradezu starr vor Entsetzen, als er die Beiden erblickte, welche er soeben erschossen zu haben glaubte.
»Guten Morgen, Herr College!« grüßte der Fürst mit ironischer Freundlichkeit. »Sie haben mir wohl bereits eine Stelle verschafft?«
»Nein,« antwortete er, ohne zu bemerken, daß dies das Dümmste sei, was er sagen könne.
»Ah, so wollten Sie nur dem Gefängnisse einen Besuch abstatten? Warum haben Sie es sich so schwer gemacht? Warum wollten Sie partout zum Fenster hinein? Ich habe dafür gesorgt, daß Ihnen der bequemere Eingang geöffnet werde, und nun hoffe ich, daß Sie es sich bei uns längere Zeit gefallen lassen.«
Er stand noch immer wie versteinert zwischen den Polizisten. Da sagte der alte Schmied:
»Ja, famos hast Du das gemacht, Bursche! Zweitausend Gulden verdient! Ich wollte, ich könnte sie Dir auszahlen, hier mit meinen beiden Fäusten.«
»Ich weiß von nichts!« stammelte er.
»Was, Mensch? Du weißt von nichts? Du willst wohl etwa gar nicht geschossen haben?«
»Nein.«
»Na, da gucke dort den Tuchwickel an, durch den Deine Kugeln gegangen sind!«
Jetzt begann es in ihm zu dämmern, daß er der Dupirte sei, dennoch behauptete er:
»Ich habe nicht geschossen.«
»Wer denn?« fragte der Fürst.
»Der Andere vielleicht.«
»Ah, Ihr wart zu Zweien?«
»Ja.«
»Wer war der Andere?«
»Ich kenne ihn nicht.«
»Schön! Also der berühmte Unbekannte! Sie scheinen wirklich zu glauben, daß ich sehr dumm bin.«
»Ich sage die Wahrheit.«
»Pah! Machen Sie sich nicht lächerlich! So dumm und albern, wie Sie mich dem Hauptmanne beschrieben haben, bin ich denn doch nicht, mein bester Herr Bauer.«
»Dem Hauptmanne?« fragte er, Erstaunen heuchelnd.
»Ja.«
»Ich weiß nichts von ihm.«
»Mit wem sprachen Sie denn zuletzt im verlassenen Dampfkesselraum?«
Er erbleichte, sagte aber kopfschüttelnd:
»Ich weiß nicht, was Sie wollen!«
»Nun, das kann ich Ihnen sagen: Ich wollte Sie gefangen nehmen, und jetzt will ich mir auch den Hauptmann mit der ganzen Bande holen. Sie werden beim Fürsten von Befour zu treffen sein.«
»Hölle, Teuf –
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