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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Kämmerlein. Dort, als sie mit einander allein waren, fragte die Frau: »Du glaubst also, daß er es wirklich ist?«
    »Er ist’s. Ich beschwöre es.«
    »Herrgott! Fünfzehntausend Gulden!«
    »Mutter, er ist unser Gast!«
    »Wir könnten dann anstatt der Erdäpfel Das essen, wovon er sprach. Wie hieß das Zeug?«
    »Farinas.«
    »Nein; das ist doch Tabak.«
    »So war es Canevas.«
    »Auch nicht. Canevas nehmen die feinen Damen zum Sticken.«
    »Nun, so war’s ein Heringsfaß – as oder aß war hinten dran. Amma, Anna, Ananas, jetzt habe ich es, ja, so war es.«
    »Das muß etwas sehr Gutes sein. Vielleicht wie Hagebuttenbrühe und junger Ziegenbraten!«
    »Ganz egal! Ein Verräther werde ich wegen Ziegenbraten doch nicht. Führe uns nicht in Versuchung!«
    »Sondern erlöse uns von dem Uebel. Nicht?«
    »Ja. Er ist das Uebel, und wir werden erlöst.«
    »Meinst Du wirklich? Denkst Du, daß er geht?«
    »Sicher und gewiß. Er hat sich uns anvertraut, weil er dachte, wir kennen ihn nicht und wissen auch nichts von dem Preis, der auf ihn gesetzt ist. Nun er aber das Gegentheil erfährt, wird er sich schleunigst auf die Strumpfsocken machen.«
    »Du denkst also, daß der Vetter es ihm sagt?«
    »Ja. Ich bin überzeugt, daß sie jetzt mit einander unten auf der Gartenbank sitzen und von meiner Zeitung reden. Mir wird der Abschied nicht wehe thun. Jetzt aber wollen wir das Ding beschlafen. Gute Nacht, Mutter.«
    »Gute Nacht, Vater!«
    Sie schwiegen, aber sie schliefen doch nicht. Sie sannen und sannen. Sie wollten nicht zum Verräther werden, aber fünfzehntausend Gulden – als der Köhler eingeschlafen war, träumte ihm von einem Geldsacke, welcher höher als die höchste Tanne war, und seiner Ehefrau träumte von einer Frucht, die aus lauter Zuckerhüten, Rosinen und jungen Ziegenkeulen bestand, und darunter waren in riesenhaften Buchstaben die beiden Worte
Canevas
und
Varinas
zu lesen.
    Der Köhler hatte übrigens Recht gehabt: Zunächst war der Vetter eine Zeit lang in tiefen Gedanken sitzen geblieben; dann aber war er hinaus in das Gärtchen gegangen, wo eine aus rohen Steinen errichtete Bank stand. Auf ihr saß – Baron Franz von Helfenstein, denn dieser war es wirklich.
    Der Wagner setzte sich zu ihm, wenn auch in so respectvoller Entfernung, als es die Länge der Bank zuließ. Sie saßen einige Zeit schweigsam; dann endlich unterbrach Hendschel die Stille: »Gnädiger Herr, ich habe Ihnen etwas Wichtiges mitzutheilen. Darf ich?«
    »Es wird nicht viel Gescheidtes sein.«
    »Allerdings nicht.«
    »So behalte es für Dich!«
    »Das geht nicht. Ich muß es sagen.«
    »Pah! Ich weiß es schon.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Ich soll fort.«
    »Woher wissen Sie es denn?«
    »Das hat in den letzten Tagen so in der Luft gelegen. Und als ich heute mit meinem Ärger über diese dumme Reimerei losbrach, da wußte ich, daß es nun sicher zur Sprache kommen werde. Ich ging also hinaus, that, als ob ich mich entfernte, kehrte aber leise an den Laden zurück.«
    »So haben Sie gehorcht?«
    »Ja.«
    »Und Alles gehört?«
    »Alles.«
    »Was sagen Sie dazu?«
    »Diese alten Leute sind noch dümmer, als sie ehrlich sind. Ich lasse jetzt eine Zeit vorübergehen, bis sich der Lärm gelegt hat. Dann darf ich mich wieder nach der Hauptstadt wagen. Ich weiß dort Perlen und Edelsteine für mehrere Millionen Gulden. Die hole ich mir, und dann könnte ich die Alten überreichlich belohnen! Jetzt aber stoßen sie mich hinaus, und ich weiß nicht, wohin. Dieser entlegene Winkel ist die einzige Stelle des Gebirges, an der ich sicher sein konnte. Nun geht die Gefahr von Neuem an.«
    »Wohin werden Sie sich wenden?«
    »Weiß ich es? Uebrigens will ich Dich warnen! Es ist sehr wahr, daß Du ruhig nach Obersberg zurückkehren kannst. Niemand kann Dir etwas beweisen. Aber wenn Dein Vetter hier mich verrathen würde oder wenn Du selbst ein einziges Wort fallen ließest, so wäre Dir Dein Brod gebacken. Merke Dir das!«
    »Herr Baron, Sie werden doch nicht glauben, daß es mir möglich sei, so an Ihnen zu handeln!«
    »Schon gut! Ich habe die Menschen kennen gelernt. Ich habe mit Haufen Goldes um mich geworfen. Da hatte ich tausend Freunde. Seit ich aber auf jenem verdammten Schlosse mein Geld in der Uniformtasche stecken ließ, seit ich also keinen Heller mehr habe, giebt es für mich keinen einzigen Freund mehr.«
    »Nur mich.«
    »Schweig! Hättest Du nicht Angst, daß ich Dich verrathen würde, so wäre ich längst von Dir für die

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