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Der Vermesser (German Edition)

Der Vermesser (German Edition)

Titel: Der Vermesser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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beobachtete, wie sich ein Fischweib energisch ihren Weg durch die Menge bahnte, einen triefenden Korb mit Flundern auf dem Kopf balancierend. Wenn die Buden geschlossen wurden und die Fischfrauen nach Hause gingen, war ihr platt gedrücktes Haar unter den Hauben und Mützen vom Gestank gesättigt. In der Thames Street stiegen einem die alltäglichen, allgegenwärtigen Gerüche Londons in die Nase – Gerüche, die einem so vertraut waren, dass man sie sich bewusst machen musste, um sie überhaupt noch wahrzunehmen – nur für einen Augenblick, da sie sofort wieder verdrängt wurden. Tabak, fauliges Stroh und Pferdemist an einem Kutschenstand, heißes Brot, der beißende Schwall aus einer offenen Kloake, ein gelegentlicher Hauch von Braten und verschüttetem Porter aus einer Bierschenke, das heiße, rote Herz eines glühenden Kohlenbeckens – keiner dieser Gerüche kam dem Fischgestank gleich. Nicht einmal der strenge, saure Geruch von verschwitzten Kleidern, ungewaschenen Körpern und fauligem Atem, der Tom schon sein Leben lang begleitete und von dem er keine Notiz mehr nahm, konnte dem stolzen Gebäude aus Gestank, das der Markt von Billingsgate darstellte, mehr als einen winzigen Kratzer zufügen.
    Tom schnupperte noch einmal. Er war sich nicht sicher, nicht restlos. Eine Stadt so voller Trugbilder und Tücken wie diese konnte sogar ihn täuschen, aber seinem Gefühl nach lag nicht der geringste Anflug der metallischen Schärfe von Regen in der Luft. Freilich erschwerte der Nebel jede Vorhersage. In seinen Wirbeln und Schwaden verbargen sich mitunter Wolken, die so rasch abregneten, wie ein Stiefel das Straßenpflaster berührte; woraufhin im Nu das Wasser in den Kanälen stieg. Befand man sich dann an einer falschen Stelle, blieb einem nicht viel Zeit, um herauszukommen. Noch hatte die Flut nicht eingesetzt. Sie hatten also acht bis neun Stunden zur Verfügung, rechnete er, vielleicht sogar mehr. Und der Nebel hatte auch seine Vorteile. Da es inzwischen ein Gesetz gab, das jedem eine Belohnung versprach, der merkwürdige Vorkommnisse in den Abwasserkanälen meldete, waren die Kerle auf dem Wasser wachsam wie Spinnen. Aber im Nebel entdeckten sie einen nicht so leicht, und die Polypen hatten bei all dem Getöse und Durcheinander auf den Straßen anderes zu tun. Zudem ließ sich im Nebel nur schwer erkennen, ob unter einem Einstiegsgitter ein Licht brannte. Und falls doch jemand zufällig den Schein einer Laterne entdeckte, würde er ihn vielleicht für eine Sinnestäuschung durch den Nebel halten.
    Joe sollte sich im Keller mit ihm treffen. Dort gab es ein Versteck, wo sie die notwendigen Gerätschaften aufbewahrten, die Käfige, Schaufeln und Hacken, an denen man die Laternen befestigen konnte. Tom erinnerte sich noch gut, wie ihm der Alte beigebracht hatte, die Laterne im Tunnel vor sich zu halten, damit man sofort Gase bemerkte. Solange die Flamme nicht erlosch, bestand keine Gefahr. Diesmal hatte Brassey Ratten bestellt, nicht weniger als einhundertfünfzig der Drecksviecher für einen großen Kampf in seinem Wirtshaus in Soho. Der Tag, an dem die Hundekämpfe per Gesetz verboten wurden, war für Brassey ein Glückstag gewesen. Denn von da an suchten all diese Kerle mit ihren Taschen voll Geld nach einem anderen Zeitvertreib, egal welcher Art. Natürlich hieß es, dass es in den großen Häusern noch immer jede Menge Hundekämpfe gebe. Die feinen Herrschaften konnten sich das erlauben, denn bei ihnen platzten die Polypen wahrscheinlich nicht einfach ungebeten herein. In Westminster aber hatten die Hundearenen schon seit einer ganzen Weile dichtgemacht, und nur ein paar wenige Schenken wagten es immer noch, Wettkämpfe zu veranstalten. Die Hunde waren also verschwunden, aber an ihrer statt waren die Ratten gekommen. Es hatte nicht lange gedauert, bis Brassey ein Licht aufging, wie viel sich damit verdienen ließ. In seinem ehemaligen Salon im ersten Stock hatte er einen Kampfplatz eingerichtet. Tom selbst war dort zwar schon lange nicht mehr bei einem Kampf gewesen, aber Brasseys Geschäft lief zweifellos bestens. Es gab Wochen, da bestellte er zwei-, ja sogar dreimal eine neue Lieferung, so dass Tom kaum nachkam. Nicht, dass Tom sich darüber beklagte. Man konnte damit gutes Geld verdienen, und an den Viechern herrschte kein Mangel. Gewöhnlich lag der Preis bei einem Penny für zwei Ratten, aber diesmal wollte Brassey besonders große Exemplare und war deshalb bereit, sogar einen Penny pro Tier zu

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