Der Vermesser (German Edition)
Zellentür gestreckt hatte, mit diesem in gedrängter Schrift und gestelzten Worten geschriebenen Brief in Verbindung zu bringen. Er empfand ein gewisses Unbehagen, auch wenn er nicht genau sagen konnte, warum. Er legte den Brief beiseite, schlug das Notizheft auf und blätterte darin. Polly sah ihn die Stirn runzeln.
»Was ist los?«
»Die hinteren Seiten sind alle herausgerissen«, erwiderte William empört. »Warum nur? Alle meine Gedanken, alle meine Überlegungen hatte ich hier festgehalten. Jetzt sind sie für immer verloren.«
Polly, die hinter ihm stand, legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er ergriff ihre Hände und drückte sie an seine Lippen.
»Deine schönen botanischen Zeichnungen«, seufzte sie in sein Haar. »Mein armer Schatz. Das ist ein Verbrechen.«
»Botanische Zeichnungen? Das sind Blumen, nicht wahr?«, fragte Maurice neugierig.
William nickte.
»Dann bist du also so was wie ein Gärtner.«
Achselzuckend klappte William das Heft zu. »So was Ähnliches.«
Maurice wandte sich zu Polly. »Warum hast du mir das nicht gesagt, du Dummerchen? Im Herrenhaus wird immer ein Gärtner gebraucht, der einen Stängel von einer Blüte unterscheiden kann.« Er wandte sich zu William. »Ihre Ladyschaft ist ganz verrückt nach Blumen. Sie hat ein Treibhaus, gegen das sogar der Kristallpalast wie ein Gurkenbeet aussieht. Im Juni blüht ihr Garten in sämtlichen Farben des Regenbogens.«
»Maurice!«, wies Polly ihren Bruder zurecht. »William hat bestimmt keine Lust, als einfacher Gärtner zu arbeiten. Er hat schließlich einen Beruf.«
Maurice zuckte die Achseln. »Ich meine ja nur. Jedenfalls besteht kein Mangel an Arbeit, wenn man – wie sagt ihr – botanisch bewandert ist.«
»Jetzt reicht es aber …«, fuhr Polly dazwischen.
Sie verschränkte die Arme und schüttelte wütend den Kopf, aber William blieb stumm. Er bemerkte nicht, dass Polly auch ihn böse ansah, verärgert über sein Schweigen. Er senkte den Blick und lächelte. Ein Lächeln, das tief aus seinem Inneren kam und aus dem dunklen winterlichen Boden seiner Brust mit der Entschlossenheit eines bleichen Schneeglöckchens hervordrängte. Ein Hauch von Grün, als wäre es ein wenig seekrank, und so zart wie Papier.
Galanthus nivalis.
Ein Vorbote des Frühlings.
Danksagung
D ie in diesem Buch geschilderten historischen Ereignisse sind authentisch, und einige der darin auftretenden Personen haben wirklich existiert; William, Tom und die Geschichte, die sie verbindet, sind jedoch frei erfunden. Sollten sich bei den historischen Beschreibungen Fehler eingeschlichen haben, so gehen sie allein auf mein Konto.
Um mir Sachkenntnis und Inspiration zu verschaffen, habe ich zahllose Bücher geplündert, insbesondere Henry Mayhews fulminantes Werk
London Labour and the London Poor
, erschienen 1851 , dem viele der in meinem Buch auftauchenden Figuren nachempfunden sind. Ebenso unverzichtbar waren für mich das wunderbare Buch
Underground London
( 1862 ) von John Hollingshead sowie Hippolyte Taines
Notes on England
( 1872 ; deutsch unter dem Titel
Aufzeichnungen über England,
1906 ) und George Augustus Salas
Gaslight and Daylight
von 1859 . Zu meinen neueren Quellen zählen
London: The Biography
( 2000 ; deutsch unter dem Titel
London. Die Biographie,
2000 ) von Peter Ackroyd,
The Victorians
( 2001 ) von A. N. Wilson und
The London Doré Saw: A Victorian Evocation
( 1972 ) von Eric de Maré.
Meine Kenntnisse über die Arbeit von Joseph Bazalgette verdanke ich Stephen Hallidays
The Great Stink of London
( 1999 ) und
London Under London
( 1984 ) von Richard Trench und Ellis Hillman sowie zahlreichen zeitgenössischen Berichten, insbesondere H. Percy Boulnois’
Reminiscences of a Municipal Engineer
( 1920 ). Danken möchte ich auch den Mitarbeitern der lokalhistorischen Abteilung der Leihbücherei Battersea, die mir Zugang zu ihrer umfangreichen Sammlung von Sitzungsprotokollen des Londoner Amtes für öffentliche Bauvorhaben gewährt haben.
Zum Thema Krimkrieg hätte ich keine besseren Quellen finden können als Paul Kerrs
The Crimean War
( 1997 ) und John Shepherds Studie zu den medizinischen Aspekten dieses Kriegs,
The Crimean Doctors
( 1990 ). Bei botanischen Fragen stützte ich mich vor allem auf das Werk
The Illustrated Flora of Britain and Northern Europe
( 1989 ) von Marjorie Blamey und Christopher Grey-Wilson. Und zum Thema Selbstverstümmelung war mir Marilee Strongs bemerkenswerte Studie
A Bright Red Scream
( 1998 ) eine
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