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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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Name – Nuchi –, der auch ein Deckname sein konnte. Und eine vermutliche Nationalität. Mehr nicht.
    Aber alles in allem war es eigentlich gar nicht schlecht für mich gelaufen. Ich war mir fast sicher, dass Karate – von wem auch immer – darauf angesetzt worden war, Belghazi zu beseitigen. Dazu wäre er jetzt nicht mehr in der Lage.
    Die Sache hätte wesentlich schlimmer ausgehen können. Wenn er die H&K in der Hand gehabt hätte, als ich um die Ecke bog, anstatt erst dann danach zu greifen, läge ich jetzt vielleicht dort und nicht er.
    Ich hielt mich auf den engen Straßen, in den dunklen Gassen. Mein Puls wurde noch langsamer. Meine Hände beruhigten sich. Die Gebäude auf beiden Seiten schienen höher zu werden, und das schwache Licht blasser, bis ich das Gefühl hatte, als liefe ich auf dem Grund einer steilen Schlucht, eines dunklen Großstadt-Canyons, der von einem längst verschwundenen Fluss durch die ausgebleichten Betonfassaden geschnitten worden war. Die verrosteten Feuertreppen waren Felsvorsprünge, die aufgehängte Wäsche verschlungene Kletterpflanzen, eine einsame Bogenlampe an einem Dach ein vergilbter Dreiviertelmond.
    Ich kam zurück zum Hotel. Als ich den Hintereingang erreichte, war meine Herzfrequenz wieder normal. Ich fing an, über Belghazi nachzudenken.
    Belghazi. Die Hauptsache. Keine Nebenhandlungen mehr. Ich würde die Sache ordnungsgemäß erledigen und verschwinden. Und dann, der große Zahltag. So groß, dass ich danach für alle Zeit aus diesem ganzen Mist raus wäre.
    Oder zumindest eine ganze Zeit lang.

2
    AM NÄCHSTEN MORGEN frühstückten Keiko und ich wieder im Hotelrestaurant Girassol und stöberten anschließend eine Stunde lang durch die Hotelläden, die allesamt eine wunderbare Aussicht auf die Lobby boten. Aber Belghazi ließ sich nicht blicken.
    Gegen Mittag ging ich in ein Internetcafé, um das elektronische Bulletin Board zu checken, über das ich mit Tomohisa Kanezaki kommunizierte, meinem Kontaktmann bei der CIA. Zuallererst jedoch lud ich die Kopie einer Sicherheitssoftware herunter und installierte sie, wie ich das immer tue, um sicherzugehen, dass das von mir benutzte Terminal frei von sogenannter »Snoopware« war – das ist Software von kommerziellen Anbietern oder Hackern, die Tastaturanschläge registriert, Monitorbilder übermittelt und auf vielerlei Weise die Sicherheit eines Computers gefährden kann. Hacker spielen die Software aus sicherer Entfernung auf öffentliche Terminals auf, zum Beispiel die an Flughäfen, in Bibliotheken, Copyshops und natürlich Internetcafés, und gelangen so an Passwörter, Kreditkartennummern, Bankverbindungen und sogar ganze Online-Identitäten.
    Dieses Terminal war sauber. Ich sah im Bulletin Board nach. Ich hatte eine Nachricht: »Rufen Sie mich an.«
    Mehr nicht. Ich loggte mich aus und ging.
    Draußen schaltete ich das verschlüsselte Handy ein, das mir die CIA zur Verfügung gestellt hatte, wählte die Nummer, die ich auswendig gelernt hatte, und ging los, damit es nicht so leicht wäre, mich anzupeilen.
    Am anderen Ende klingelte es einmal, dann hörte ich Kanezakis Stimme. »Moshi moshi« ,sagte er.
    Kanezaki ist ein amerikanischer Sansei, ein Japaner der dritten Generation, und er gibt gerne mit seinen Sprachkenntnissen an. Ich lasse ihm das selten durchgehen. »Hallo«, sagte ich.
    »Hallo«, antwortete er kleinlaut. »Ich habe versucht, Sie anzurufen.«
    Ich lächelte. Kanezaki war bei der CIA, was ihn in meinen Augen automatisch wenig vertrauenswürdig machte. Zugegeben, er hatte wahrscheinlich die gleichen Vorbehalte gegen mich. Aber in Tokio hatte ich das Angebot seines Chefs abgelehnt, ihn für viel Geld auszuschalten, und ich hatte ihm sogar eine Warnung zukommen lassen. Man müsste schon die Undankbarkeit in Person sein, um so einen Gefallen nicht zu würdigen. Ich wusste, dass Kanezaki das Gefühl hatte, mir etwas schuldig zu sein. Seine Sentimentalität mir gegenüber hatte natürlich ihre Grenzen – meiner Erfahrung nach scheint eines der Leitprinzipien menschlicher Beziehungen die Frage zu sein: »Was hast du in letzter Zeit für mich getan?« –, aber sie war immerhin ein leichtes Gegenmittel gegen das potentielle Gift seiner beruflichen Verstrickungen.
    »Wenn ich nicht damit telefoniere«, sagte ich, »lass ich das Ding ausgeschaltet.«
    »Wollen Sie den Akku schonen?«
    »Meine Privatsphäre schützen.«
    »Sie sind die Verkörperung der Paranoia«, sagte er, und ich konnte förmlich sehen, wie

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