Der Verrat
Taille und zog mich weiter. »Also ich sag dir, das glaubt mir kein Mensch, wenn ich das erzähle«, sagte er. »Ich weiß ja nicht, wer Belghazis Busenfreund ist, dieser weiße Bursche, meine ich, aber der Typ kann schießen. Er hat einen von den Kerlen in dem Toyota erledigt, und als die beiden Araber, die in dem Van gekommen waren, aufgesprungen und losgerannt sind, hat er sie beide glatt umgelegt. Die kamen mir ziemlich erstaunt vor. Danach haben er und der andere Typ aus dem Toyota sich gegenseitig unter Beschuss genommen. Beide hatten sie gute Deckung, und ich konnte nicht abwarten, bis ich sie ins Visier bekam, weil ich dachte, du könntest Hilfe gebrauchen. Echt ein Jammer. Wenn ich die beiden erwischt hätte, würde dieses nette Täschchen da jetzt auf uns warten. Na ja, kann ja noch sein. Das werden wir gleich sehen.«
»Hilger … der hat auf alle geschossen?«
»Hilger? Ach so, der Weiße. Ja, das kann man wohl sagen. Ich glaube, er wollte nicht, dass irgendwer der Geschichte widersprechen kann, die er sich zum Blutbad hier und seiner Rolle dabei einfallen lässt. Ziemlich schlaues Kerlchen und noch dazu kaltblütig. Menschenskind, den sollte Kanezaki mal für den Scheiß engagieren, den wir immer machen.«
Wir erreichten die Straße und blieben stehen. Ich hörte Schüsse vom Tor her, dann die Erwiderung aus dem Toyota heraus.
»Verdammt, die Jungs haben sich noch immer nicht gegenseitig umgebracht«, sagte Dox. »Sieht ganz so aus, als hätten wir kein Glück. Weiter geht’s.«
Er zog mich rasch über die Straße. Falls Hilger oder der Araber uns bemerkt hatten, so zeigten sie jedenfalls keine Reaktion. Sie waren genug mit sich selbst beschäftigt.
Wenige Sekunden später waren wir auf der anderen Seite auf dem Weg den Hang hinauf, von Dunkelheit umhüllt. Wieder verlor ich das Gleichgewicht, und diesmal fand ich es nicht wieder. Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, auf Wasser zu treiben, als wäre irgendein Meereswesen unter mir aufgetaucht und hätte mich mit seiner Schnauze emporgehoben. Mein Kopf wurde wieder klarer, und ich begriff, dass Dox mich über seine breite Schulter geworfen hatte und trug.
»Warte«, sagte ich. »Setz mich ab. Das Geld ist zum Greifen nah, du musst nur die beiden ausschalten.«
»Partner, du verblutest«, hörte ich ihn unter mir sagen. Er blieb nicht einmal stehen. »Vergiss das Geld. Irgendwann kriegen wir wieder eine Chance.«
Ich ließ mich erneut treiben. Als ich zu mir kam, waren wir bei unserem gemieteten Van. Dox legte mich hinten auf die Ladefläche und knallte die Tür zu. Der Motor heulte auf, und wir fuhren los. Einen Moment später hörte ich ihn in sein Handy sprechen. Sein Tonfall war beschwörend, aber ich wurde immer wieder ohnmächtig und konnte nicht verstehen, was er sagte. Irgendwas von einem Arzt, vielleicht.
»Komm schon, Mann«, hörte ich ihn irgendwo weiter vorn brüllen. Es war, als käme seine Stimme aus weiter Ferne. »Schön bei mir bleiben. Kanezaki beschafft uns einen Arzt, und ich brauche deine Blutgruppe.«
»AB«, sagte ich mit schwerfälligen Lippen. »AB negativ.«
»Na, Gott sei Dank, es gibt noch kleine Wunder! Ein Universalempfänger! Also schön durchhalten!«
Danach war ich lange Zeit weggetreten. Als ich aufwachte, lag ich auf einem Bett in einem schmuddeligen Zimmer. Ich sah mich um. Braungraue Vorhänge aus einem anderen Jahrtausend. Ein alter Fernseher auf einer billigen Kommode. Eine Zimmertür mit Spion. Es war ein Hotelzimmer.
Dox saß in einem Sessel neben dem Bett, das Gesicht zur Tür, Kopf auf die Brust gesunken, das Gewehr quer auf dem Schoß.
Ich schob die Decke runter und betrachtete meinen Oberschenkel. Er war dick bandagiert. Mein Handgelenk ebenso. Beides tat weh, und die Rippen waren noch schlimmer, doch es war erträglich. Aber mein Kopf war wie benebelt, und ich nahm an, dass man mir was gegen die Schmerzen gegeben hatte.
»He«, sagte ich.
Dox’ Augen sprangen auf, und sein Kopf schnellte hoch. »Na hallo«, sagte er und grinste mich an. »Tut verdammt gut, dich zu sehen, Mann. Ich hab mir ’ne Weile echt Sorgen um dich gemacht.«
»Wo zum Teufel sind wir?«
»Ein kleines No-Name-Hotel auf Lantau Island. Ich wollte nicht, dass uns irgendwer stört, während du dich erholst.«
»Wer hat mich verbunden?«
»Dein Onkel Kanezaki hat ein bisschen rumtelefoniert und sich um alles gekümmert. Im Handumdrehen war ein einheimischer Arzt hier. Der hat dich wieder zusammengeflickt, aber du
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