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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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Moment und befand dann, dass es die Sache nicht wert war.
    »So wie Sie mich ansehen«, sagte ich, »hab ich das Gefühl, dass Sie noch nicht Bescheid wissen.«
    »Bescheid worüber? Tut mir Leid, ich verstehe Sie nicht.«
    Die Dreiergruppe war jetzt außer Hörweite und entfernte sich immer mehr. Der Platz war vorübergehend menschenleer.
    »Ja, das sehe ich«, sagte ich. »Na schön, fahren wir einfach zurück zum Hotel. Da können wir dann alles klären.«
    Der Vorschlag klang völlig harmlos. Seine Landsleute waren im Hotel postiert. Sie würden ihm erklären können, was hier eigentlich los war. Außerdem war er einen halben Kopf größer als ich und schätzungsweise vierzig bis fünfzig Pfund schwerer. Was hatte er da schon zu befürchten?
    Er nickte.
    »Okay, gehen wir«, sagte ich. Ich wandte mich ab, als wollte ich Richtung Fußgängerbrücke losgehen, dann drehte ich mich wieder zu ihm um. »Ach du Schande, haben Sie da Vogeldreck auf der Schulter?«, fragte ich und tat fassungslos.
    »Hä?«, sagte er und sein Blick zuckte unwillkürlich zu der Stelle, auf die ich zeigte.
    Das ist das Problem, wenn man viertausend Dollar teure Brioni-Jacketts trägt. Man kriegt beim kleinsten Fleck Panik.
    Als er sich mir wieder zuwandte, packte ich ihn blitzschnell mit der linken Hand im Nacken und riss seinen Kopf nach vorn und nach unten. Gleichzeitig schlang ich den rechten Arm im Uhrzeigersinn um seinen Hals, schob den rechten Unterarm unter sein Kinn und hielt es mit der linken Hand fest. Sein Hinterkopf war jetzt fest gegen meine Brust gepresst. Ich versuchte, den Rücken nach hinten durchzudrücken, aber der Kerl war so groß und stark, dass ich nicht den Winkel bekam, den ich brauchte.
    Ich spürte seine Hände an meiner Taille herumtasten, als er verzweifelt versuchte, mich wegzustoßen. Seine gesamte Halsmuskulatur quoll strangartig vor. In dieser Haltung rangen wir ein paar Sekunden miteinander. Zweimal versuchte ich, mich mit der Hüfte in ihn reinzudrehen, aber das war genau die Bewegung, die er im Moment mehr als alles andere fürchtete, und ich kam einfach nicht an seinen massigen Armen vorbei.
    Okay, probier was anderes. Ich machte einen großen Schritt zurück und riss ihn dabei mit und nach unten. Er verlor den Kontakt zu meiner Hüfte und ruderte mit den Armen, versuchte hektisch mich wieder zu fassen zu kriegen. Zu spät. Ich ließ mich unter ihm auf den Rücken fallen und drückte den Rücken durch, um einen Wurf anzusetzen. Einen Moment lang spürte ich den Widerstand der Masse, und es schien, als würde seine Halsmuskulatur sich noch weiter aufblähen. Dann merkte ich, wie das Genick brach, und sein Körper hing jetzt schlaff und leblos über mir.
    Ich drehte mich zur Seite, und er schlug leicht seitlich versetzt hinter mir auf den Beton. Die Wucht des Aufpralls erinnerte an ein kleines Erdbeben. Ich ließ los und rappelte mich hastig auf. Er lag auf dem Rücken, den Kopf bizarr zur Seite geknickt, die Zunge rausgestreckt – ein unschöner Anblick.
    Diesmal machte ich mir gar nicht erst die Mühe, seine Taschen zu durchsuchen. Ich hatte das Gefühl, dass ich nichts Nützlicheres finden würde als das, was ich bereits hatte, und ich wollte nicht Gefahr laufen, mit oder neben einer Leiche gesehen zu werden.
    Ich setzte mich in Bewegung, und während ich über den Platz hinweg auf die Fußgängerbrücke zulief, trommelte mein Herz Bassrhythmen durch meinen Körper bis hinunter in Hände und Füße. Ich atmete tief durch die Nase, kämpfte darum, meine innere Aufgewühltheit nicht an die Oberfläche dringen zu lassen, wo sie bemerkt werden und Verdacht erregen könnte.
    Weiter vorn stand jemand ans Geländer gelehnt und rauchte eine Zigarette. Als ich näher kam, erkannte ich ihn: Es war der Typ aus der Lobby des Mandarin Oriental, der förmlich Stielaugen bekommen hatte, als er mich am Morgen gesehen hatte. Er schaute an mir vorbei, vielleicht weil er sich fragte, wo denn sein Kumpel blieb, der eigentlich hinter mir herkommen sollte. Als ich mich näherte, richtete er den Kopf wieder geradeaus, einfach jemand, der auf der Brücke stand und in Ruhe eine Zigarette rauchte, sich die Gegend ansah und den Verkehr beobachtete, der unter ihm auf der vierspurigen Straße dahinfloss. In der Annahme, sein größtes Problem wäre im Augenblick, möglichst zu verhindern, dass ich ihn als das erkannte, was er war.
    Eine irrige Annahme.
    Ich hielt den Kopf gesenkt, während ich mich näherte, tat so, als würde ich

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