Der Verrat
Schicht Kleidung aus - eine weite, graue Strickjacke.
Dass sie weit war, hatte seinen Grund. Darunter trug er eine Reihe roter Stangen, die für mein ungeübtes Auge wie Dynamit aussahen. In ihren Enden steckten bunte, an Spaghetti erinnernde Drähte, und das alles war mit silbergrauem Klebeband befestigt.
Mein erster Impuls war zu flüchten, mit wild fuchtelnden Armen und Beinen zur Tür zu rennen und auf Glück und einen schlecht gezielten Schuss zu hoffen, während ich am Schloss herumfummelte, und auf einen zweiten schlecht gezielten Schuss, wenn ich durch die Tür auf den Gang stürzte. Doch meine Knie zitterten, und das Blut war mir in den Adern gefroren. Die acht an der Wand keuchten und stöhnten leise, und das schien den Geiselnehmer zu stören. »Ruhe, bitte«, sagte er im Ton eines geduldigen Professors. Seine Gelassenheit entnervte mich. Er rückte ein paar der Spaghetti an seinem Bauch zurecht und zog dann ein Klappmesser und ein ordentlich aufgerolltes gelbes Nylonseil aus einer Tasche seiner geräumigen Hose.
Zu allem Überfluss richtete er die Pistole auf die entsetzten Gesichter vor sich und sagte: »Ich will keinem weh tun.«
Das war nett, aber nicht glaubwürdig. Ich zählte zwölf Stangen und war mir sicher, dass diese Menge ausreichte, mir einen schnellen und schmerzlosen Tod zu verschaffen.
Die Pistole zielte wieder auf mich. »Sie«, sagte der Mann, »werden sie fesseln.«
Rafter hatte genug. Er machte einen kleinen Schritt vorwärts und sagte: »Hören Sie, mein Freund, was wollen Sie eigentlich?«
Die dritte Kugel schlug über seinem Kopf in der Decke ein. Der Schuss klang wie Kanonendonner, und im Foyer schrie Madame Deviers oder irgendeine andere Frau.
Rafter duckte sich, und als er wieder hochkam, stieß Umstead ihm seinen kräftigen Ellbogen in die Brust und schob ihn wieder an die Wand zurück.
»Halt’s Maul«, sagte Umstead mit zusammengebissenen Zähnen.
»Nennen Sie mich nicht >mein Freund<«, sagte der Mann, und sogleich existierte diese Anrede nicht mehr.
»Wie möchten Sie denn angeredet werden?« fragte ich, denn ich hatte das Gefühl, dass ich dabei war, so etwas wie der Sprecher der Geiseln zu werden. Ich sagte es sehr leise und mit großem Respekt, und das gefiel ihm.
»Mister«, sagte er, und alle Anwesenden waren sich einig, dass dies eine sehr gute Anrede sei.
Das Telefon läutete, und für einen Augenblick dachte ich, er werde darauf schießen, doch er machte nur eine Geste mit der Pistole. Ich stellte den Apparat vor ihn auf den Tisch. Er nahm den Hörer mit der linken Hand ab; in der rechten hielt er die Pistole, und die zielte noch immer auf Rafter.
Wenn wir hätten abstimmen dürfen, wäre Rafter das erste Opferlamm gewesen. Acht zu eins.
»Hallo?« sagte Mister. Er hörte kurz zu und legte auf. Dann ging er langsam rückwärts zu dem Sessel am Kopfende des Tisches und setzte sich.
»Nehmen Sie das Seil«, sagte er zu mir.
Ich sollte die acht an den Handgelenken aneinander fesseln. Ich schnitt das Seil in Stücke, machte die Knoten und versuchte, nicht in die Gesichter meiner Kollegen zu sehen, deren Tod ich beschleunigte. Ich spürte förmlich, wie die Pistole auf meinen Rücken zielte. Er wollte, dass alle stramm gefesselt waren, und ich bemühte mich, ihm zu zeigen, wie fest ich das Seil anzog, während ich es in Wirklichkeit so lose wie möglich ließ,
Rafter murmelte etwas, und ich hätte ihn am liebsten geohrfeigt. Umstead konnte, als ich den Knoten geknüpft hatte, die Handgelenke so bewegen, dass die Schlinge fast herabfiel. Malamud schwitzte und atmete flach. Er war nicht nur der älteste von uns, sondern auch der einzige Teilhaber, und er hatte vor zwei Jahren seinen ersten Herzinfarkt überstanden.
Ich musste Barry Nuzzo ansehen, meinen einzigen Freund in dieser Runde. Wir waren gleich alt - zweiunddreißig - und zur selben Zeit in die Kanzlei eingetreten. Er war in Princeton gewesen, ich in Yale. Sowohl seine als auch meine Frau stammten aus Providence. Seine Ehe lief gut: drei Kinder in vier Jahren. Meine befand sich im Endstadium eines langen Niedergangs.
Unsere Blicke trafen sich. Wir dachten beide an seine Kinder, und ich fand, dass ich von Glück reden konnte, keine zu haben.
Wir hörten die erste von vielen Sirenen, und Mister befahl mir, die Jalousien herunterzulassen. Ich machte mich gewissenhaft an die Arbeit und suchte mit den Augen den Parkplatz dort unten ab, als wäre ich in Sicherheit, wenn mich jemand sähe. Ein einsamer
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