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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Polizeiwagen stand mit blinkenden Lichtern da. Er war leer -
    die Polizisten waren bereits im Gebäude.
    Da waren wir also: neun weiße Jungs und Mister.
    Laut letzter Zählung beschäftigten Drake & Sweeney achthundert Anwälte in Kanzleien in aller Welt. Die Hälfte davon arbeitete in Washington, D.C., in diesem Gebäude, in das Mister soeben eingedrungen war. Er befahl mir, den »Boss«
    anzurufen und ihm zu sagen, er sei bewaffnet und trage eine Bombe aus zwölf Dynamitstäben am Körper. Ich rief Rudolph, den leitenden Teilhaber meiner Abteilung - der Abteilung für Kartellrecht -, an und gab die Nachricht weiter.
    »Ist bei Ihnen alles in Ordnung, Mike?« fragte er. Mister hatte den Telefonlautsprecher auf größte Lautstärke gestellt.
    »Alles ganz wunderbar«, sagte ich. »Bitte tun Sie, was er will.«
    »Was will er denn?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    Mister machte ein Zeichen mit seiner Pistole. Das Gespräch war beendet.
    Auf einen weiteren Wink hin blieb ich neben dem Konferenztisch stehen, nur ein, zwei Schritte von Mister entfernt, der die irritierende Angewohnheit entwickelt hatte, geistesabwesend mit den Drähten an seiner Brust zu spielen.
    Er sah hinunter und zupfte an einem roten Draht. »Wenn ich den hier rausziehe, ist alles vorbei.« Nach dieser kleinen Warnung sahen mich die Augen hinter der Sonnenbrille an. Ich hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen.
    »Warum sollten Sie das tun?« fragte ich in dem verzweifelten Bemühen, ein Gespräch in Gang zu bringen.
    »Ich will es ja gar nicht tun, aber warum sollte ich es lassen?«
    Seine Ausdrucksweise fiel mir auf. Er sprach in langsamem, gemessenem Rhythmus und verschluckte keine Silbe. Im Augenblick mochte er ein Penner sein, aber er hatte sicher schon bessere Tage gesehen.
    »Warum sollten Sie uns umbringen?« fragte ich ihn.
    »Ich diskutiere nicht mit Ihnen«, erwiderte er. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.
    Ich bin Rechtsanwalt und lebe nach der Uhr, und so sah ich auf meine Armbanduhr, damit später alles ordnungsgemäß festgehalten werden konnte - vorausgesetzt, es gelang uns irgendwie zu überleben. Es war zwanzig nach eins. Mister wollte Ruhe, und so ertrugen wir eine nervenaufreibende Stille, die vierzehn Minuten dauerte.
    Ich konnte nicht glauben, dass wir sterben würden. Es schien kein Motiv, keinen Grund zu geben, uns zu töten. Ich war mir sicher, dass keiner von uns diesem Mann je zuvor begegnet war, und mir fiel die Fahrt mit dem Aufzug ein und die Tatsache, dass er offenbar kein bestimmtes Ziel gehabt hatte. Er war bloß ein Verrückter, der Geiseln nehmen wollte, und damit erschiene das Blutbad nach heutigen Maßstäben leider als etwas beinahe Normales.
    Es war genau die Art von sinnlosem Gemetzel, das vierundzwanzig Stunden Schlagzeilen machen und für Kopfschütteln sorgen würde. Und dann würden Witze über tote Anwälte die Runde machen.
    Ich sah schon die Überschriften und hörte schon die Reporter, aber ich weigerte mich zu glauben, dass es passieren würde.
    Aus dem Foyer drangen Stimmen, draußen jaulten die Polizeisirenen; irgendwo auf dem Gang krächzte das Sprechfunkgerät eines Polizisten.
    »Was haben Sie zu Mittag gegessen?« wollte Mister von mir wissen. Seine Stimme durchschnitt die Stille. Ich war zu überrascht, um mir eine Lüge auszudenken, zögerte einen Augenblick und sagte: »Gegrillte Hähnchenbrust in Sherrysauce.«
    »Allein?«
    »Nein, ich war mit einem Freund verabredet.« Mit einem ehemaligen Kommilitonen aus Philadelphia.
    »Wie hoch war die Rechnung für Sie beide?«
    »Dreißig Dollar.«
    Das gefiel ihm nicht. »Dreißig Dollar«, wiederholte er. »Für zwei Personen.« Er schüttelte den Kopf und musterte die acht Prozessanwälte. Wenn er vorhatte, sie zu befragen, dann hoffte ich, dass sie lügen würden. Unter ihnen waren ein paar Feinschmecker, die schon für eine Vorspeise dreißig Dollar ausgaben.
    »Wissen Sie, was ich zu Mittag gegessen habe?« fragte er mich.
    »Nein.«
    »Suppe. Suppe und Cracker in einer Obdachlosenunterkunft. Die Suppe war umsonst, und ich war froh, dass ich welche bekommen habe. Wissen Sie eigentlich, dass man mit dreißig Dollar hundert von meinen Freunden satt kriegen könnte?«
    Ich nickte so ernst, als würde mir soeben die Schwere meiner Verfehlung bewusst.
    »Sammeln Sie alle Brieftaschen, Geldscheine, Uhren und Schmuckstücke ein«, sagte er mit einem Schlenker der Pistole.
    »Darf ich fragen, warum?«
    »Nein.«
    Ich legte Brieftasche, Uhr und

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