Der Verrat
enthält die Beschreibung einer überaus schmutzigen Affäre, die sie mit Euch hatte. Wisterie schreibt, Ihr hättet sie zu Eurem Vergnügen benutzt und sie dann misshandelt. Sie schreibt sogar, dass Ihr den Shōgun als jämmerlichen Narren bezeichnet habt und die Absicht hattet, Fürst Mitsuyoshi zu töten, damit Tokugawa Tsunayoshi Euren Sohn als seinen Nachfolger adoptiert.« Er hielt kurz inne und musterte Sano mit gespielt vorwurfsvoller Miene. »Ich habe das Tagebuch dem ehrenwerten Kammerherrn gezeigt, und wir stimmten überein, dass wir es dem Shōgun zeigen müssen. Nun, genau das haben wir getan.«
Yanagisawa neigte den Kopf, um seinem Liebhaber schweigend beizupflichten. Sano wurde von Entsetzen gepackt. Fürstin Yanagisawa hatte erklärt, das Tagebuch von einem anonymen Boten erhalten zu haben. Hatte sie gelogen, oder hatte Hoshina das Paket heimlich geöffnet und dann behauptet, er hätte das Tagebuch gefunden, um bei seinen Vorgesetzten Eindruck zu machen?
Doch es spielte vorerst keine Rolle, auf welche Weise das Tagebuch ans Licht gekommen war. Auf jeden Fall hatte der Shōgun es gelesen, bevor Fürstin Yanagisawa es gestohlen hatte. Ihr Versuch, Reiko einen Gefallen zu erweisen, war gescheitert. Sano hatte das Tagebuch zu spät vernichtet – Hoshina hatte es bereits gegen ihn verwendet.
»Ich habe Euch niemals beleidigt, Herr«, beteuerte Sano, dessen Entsetzen ebenso groß war wie der Zorn auf seinen Feind. »Auch habe ich niemals Drohungen gegen Fürst Mitsuyoshi ausgestoßen. Ich habe ihn nicht getötet, und ich schmiede keine Pläne, um meinen Sohn an die Macht zu bringen. Dieses Tagebuch ist eine Fälschung.«
Hoshina lächelte ihn siegessicher an. »Bedienstete des Großen Miura haben es aber eindeutig als das Tagebuch von Kurtisane Wisterie wiedererkannt.«
»Habt Ihr diese Leute bestochen?«, rief Sano wütend. »Oder habt Ihr gedroht, sie zu töten, wenn sie nicht sagen, was Ihr hören wollt? Ihr habt das Tagebuch selbst geschrieben, um mich zu vernichten!« Sano war sich mittlerweile vollkommen sicher. »Gebt es zu!«
Der verwirrte Blick des Shōgun wanderte von Sano zu Hoshina. Der Polizeikommandeur stieß hervor: »Ich habe das Tagebuch nicht geschrieben, Herr! Der sōsakan-sama versucht, seine Haut zu retten, indem er mich beschuldigt.«
»Wir werden uns dieses Tagebuch ansehen und die Handschrift mit der Euren vergleichen«, sagte Sano. Das verbrannte Tagebuch vor Augen, hoffte er, den Schaden zu begrenzen, den es ihm zufügen könnte, wenn er Hoshina zuzugeben zwang, dass es nicht mehr existierte.
»Das Tagebuch ist verschwunden«, erklärte Hoshina gelassen.
»Wie günstig für Euch, dass es nun niemand mehr überprüfen kann«, entgegnete Sano spöttisch.
Hoshina warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. »Für Euch wäre es viel besser gewesen, wenn Ihr es gestohlen hättet, bevor wir es gelesen haben, anstatt hinterher.«
Hoshina wagte es tatsächlich, ihn des Diebstahls, Mordes und Verrats zu bezichtigen! »Ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht, dass das Tagebuch aufgetaucht ist. Wie kann ich es da gestohlen haben?«, sagte Sano, der befürchtete, die Anwesenden könnten seine vorgetäuschte Unkenntnis durchschauen. Er wandte sich an den Shōgun. »Auch wenn Ihr verständlicherweise über die Eintragungen in dem Tagebuch und die Behauptungen über meine Person verärgert seid, Herr – bedenkt bitte, dass es keine weiteren Beweise gibt.«
»Das ist … äh, wahr.« Die Erkenntnis vertrieb die Wut aus Tokugawa Tsunayoshis Miene. »Ihr wart mir in der Vergangenheit stets treu ergeben, sōsakan Sano. Und der Mann in dieser Geschichte war ein … äh, ordinäres Scheusal. Ein Mann, der Euch … äh, überhaupt nicht ähnelt.«
Der unerwartete Beweis des Shōgun, sich in seinem Urteil doch nicht trüben zu lassen und gefälschte »Beweise« als solche zu erkennen, erleichterte Sano, doch Hoshina fuhr rasch fort: »Die Affäre zwischen dem sōsakan-sama und Kurtisane Wisterie wurde von meinen Informanten bestätigt. Und hier habe ich eine Seite aus dem Geschäftsbuch des Bordells, die eine Geldsumme aufweist, die Sano Ichirō für die Freilassung der Kurtisane Wisterie bezahlt hat.« Hoshina hielt ein Blatt in die Höhe.
»Das beweist nur, dass ich sie freigekauft habe«, erwiderte Sano, den die Beharrlichkeit, mit der Hoshina die Echtheit des Tagebuchs beweisen wollte, bestürzte.
»Jedes bestätigte Detail verleiht den anderen Glaubwürdigkeit«, sagte Hoshina
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