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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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der überzeugenden Gründe, die dafür sprachen, dass Hoshina das Tagebuch geschrieben hatte, fiel Reiko noch eine andere Möglichkeit ein.
    »Wenn Hoshina nicht der Verfasser ist …« Sie verstummte, denn der Gedanke schien ihr zwar einleuchtend, zugleich aber abwegig zu sein.
    »Hast du jemand anders im Sinn?«, fragte Sano.
    »Ich denke an Fürstin Yanagisawa«, erwiderte Reiko.
    Sano blickte sie verwundert an. »Woher sollte sie wissen, dass Wisterie ein Tagebuch geschrieben hat oder dass es vermisst wird?«
    »Vielleicht hat sie den Kammerherrn und Hoshina belauscht, als sie über den Fall gesprochen haben.«
    »Selbst wenn es so gewesen wäre – woher konnte sie dann wissen, was sie schreiben sollte?«
    Sano schien nicht zu glauben, dass Fürstin Yanagisawa mit den Gepflogenheiten in Yoshiwara vertraut sein könnte, mit dem, was sich zwischen Prostituierten und ihren Freiern abspielte, und mit politischen Verschwörungen. » Yoriki Hoshina könnte durch Spione des metsuke von dir und Wisterie erfahren haben. Frauen aber haben eigene Methoden, um etwas herauszufinden«, erklärte Reiko. »Vielleicht hat Wisterie ihren Freunden und Freiern von der Affäre mit dir erzählt, und der Klatsch und Tratsch gelangte von Yoshiwara aus bis zum Palast zu Edo, wo Fürstin Yanagisawa von ihren Dienerinnen davon erfuhr. Sie wird auch viel darüber aufgeschnappt haben, was der Kammerherr und seine Männer über die Politik des bakufu gesprochen haben.«
    »Das ist möglich. Allerdings wirkt die Geschichte in dem Tagebuch so echt, dass der Verfasser ein guter Schreiber sein muss. Außerdem muss er Erfahrung mit der beschriebenen Situation haben«, sagte Sano nachdenklich. »Die Schilderungen würden besser zu Hoshina passen als zu Fürstin Yanagisawa.«
    »Ich glaube, sie ist schlau genug, sich eine glaubwürdige Geschichte auszudenken«, meinte Reiko. »Und eine lebhafte Fantasie kann mangelnde Erfahrung ersetzen.«
    Doch Sano schien seine Zweifel zu haben. »Angenommen, Fürstin Yanagisawa hätte das Tagebuch geschrieben – dann könnte sie auch die Geschichte mit dem anonymen Paket erfunden haben, um dich zum Narren zu halten. Du hast aber gesagt, die Fürstin wolle deine Freundin sein. Warum sollte sie dir dann wehtun, indem sie Lügen und Verleumdungen über mich erfindet?«
    Dafür konnte Reiko keine schlüssige Erklärung liefern. »Du hast Recht. Dafür gibt es keinen logischen Grund. Fürstin Yanagisawa ist eine sonderbare Frau. Es gefällt mir nicht, wie sie mich anschaut … und es gefällt mir auch nicht, wie sie meine Bekanntschaft gerade zu diesem Zeitpunkt sucht.«
    Reikos Gefühl sagte ihr, dass die rätselhafte Gemahlin des Kammerherrn ihre Freundschaft vor allem deshalb suchte, um ihr Leid zuzufügen.
    Sie blickte Sano an und sah die Angst in seinen Augen. »Wenn Fürstin Yanagisawa möchte, dass ich Schwierigkeiten bekomme«, sagte er, »warum tut sie dir dann den Gefallen, dir das Tagebuch zu bringen, anstatt es ihrem Gemahl zu überlassen, sodass die Dinge ihren Lauf nehmen?«
    Reiko seufzte niedergeschlagen. »Ich weiß es nicht.« Doch das Misstrauen gegenüber der Gemahlin des Kammerherrn nagte an ihr. Sie wünschte, ihren Verdacht für sich behalten zu haben, und wechselte das Thema: »Wenn das zweite Tagebuch eine Fälschung ist, könnte das Buch, das Hirata entdeckt hat, das echte Tagebuch Wisteries sein. Nichts von dem, was in dem ersten Buch steht, hat sich als falsch erwiesen, auch wenn wir diesen Mann aus Hokkaido noch nicht gefunden haben. Was wirst du mit dem zweiten Tagebuch machen?«
    Sano nahm es vom Tisch und wog es einen Moment lang mit verwirrter Miene in der Hand. »Ich hasse es, Beweise zu vernichten, aber die einzigen Informationen in diesem Tagebuch sind lügenhafte Behauptungen über mich.«
    »Es muss irgendwelche Hinweise geben, die wir noch nicht erkannt haben«, sagte Reiko. »In dem Tagebuch steht, du hättest in einer bestimmten Nacht, für die du ein Alibi hast, Ränke geschmiedet. Das beweist, dass die Geschichte eine Verleumdung ist. Du könntest das Tagebuch als Beweis für deine Unschuld benötigen.«
    »Vielleicht.« Doch Sano glaubte eher an die Gefahr, die von dem Tagebuch ausging, als an den Nutzen, den es ihm erweisen könnte. »Auch wenn das Tagebuch mir eine Hilfe sein könnte, ist es zu gefährlich, als dass es behalten werden darf.«
    Er knotete das Bändchen auf, das die Seiten des Tagebuchs zusammenhielt, und warf sie nacheinander ins Feuer. Sie entflammten

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