Der Verrat
kühl. »Außerdem habe ich das Haus ausfindig gemacht, in dem Wisterie gelebt hat, nachdem sie Yoshiwara verlassen durfte. Die Nachbarn sagen aus, dass sie einen Samurai zum Geliebten hatte. Die Beschreibung dieses Mannes passt auf den sōsakan-sama . Sie sagen weiter aus, Wisterie und der Mann hätten sich oft und laut gestritten … genau so, wie es in dem Tagebuch steht.«
Sano durfte nicht gestehen, dass er Wisterie überhaupt jemals besucht hatte, denn in diesem Fall hätte sich der Verdacht gegen ihn erhärtet. »Ich habe niemals mit ihr gestritten!«, fuhr er Hoshina an. »Entweder lügen diese Zeugen, oder Ihr selbst seid ein Lügner«, sagte er zu Hoshina. »Eure Beweise sind eine einzige Verleumdung, die Ihr Euch aus nebensächlichen Informationen und harmlosen Beobachtungen zusammengereimt habt!«
Der Shōgun zuckte bei Sanos heftiger Reaktion zusammen.
»Seht nur, wie wütend er wird, wenn jemand ihn verärgert«, sagte Hoshina, der sich leidenschaftlich verteidigte, zu den Anwesenden. »Das ist sein hitziges Temperament, das ihn auch dazu gebracht hat, Kurtisane Wisterie zu schlagen.«
Von wachsender Wut erfüllt, schaute Sano den Kammerherrn an. Ihre Blicke begegneten sich. Ein Funkeln in Yanagisawas Augen warnte Sano, dass ihr Waffenstillstand längst noch keine Verbündeten aus ihnen machte und Hoshina in dieser Angelegenheit freie Hand hatte. Die Ältesten beobachteten die Szene gleichmütig, was Sanos Wut weiter entfachte. Diese Männer erwarteten immer wieder von ihm, dass er sein Leben aufs Spiel setzte, um ihre Feinde für sie zu vernichten, und jetzt taten sie nichts, um ihm zu helfen. Diese niederträchtigen Schufte!
Sano musste das heftige Verlangen niederkämpfen, den Ältesten lautstark die Meinung zu sagen, denn er durfte sich nicht die Feindschaft dieser mächtigen Männer zuziehen. »Dass Polizeikommandeur Hoshina eine Beziehung zwischen mir und Kurtisane Wisterie nachgewiesen hat, ist noch längst kein Beweis, dass ich ein Mörder oder Verräter bin.«
»Allein schon der Versuch des sōsakan-sama , die Beziehung zu vertuschen, beweist seine Schuld«, sagte Hoshina rasch.
Sano wandte sich seinem Feind zu. »Steht in diesem Tagebuch auch, wann ich gegen den ehrenwerten Shōgun und Fürst Mitsuyoshi Intrigen geschmiedet haben soll? Oder ist diese ganze Lügengeschichte auch unwahr, was den Zeitpunkt betrifft?«
Hoshina kniff wachsam die Augen zusammen. »Kurtisane Wisterie hat den Zeitpunkt als den siebten Monat des fünften Jahres der Genroku-Ära angegeben, in der Nacht des Vollmonds.«
»Ihr meint wohl, Ihr selbst habt diesen Zeitpunkt angegeben. Denn als Ihr das Tagebuch geschrieben habt, ist Euch der Fehler unterlaufen, einen genauen Zeitpunkt zu benennen. Meine Gemahlin kann beschwören, dass ich in jener Nacht mit ihr zusammen war«, sagte Sano.
» Ich soll das Tagebuch geschrieben haben? Lächerlich! Und die Frau eines Lügners ist nicht ehrenhafter als der Lügner selbst«, spottete Hoshina. »Jeder weiß, dass Eure Gemahlin Euch liebt und alles tun oder sagen würde, um Euch zu beschützen. Sie ist als Zeugin nicht vertrauenswürdig.«
»Habt Ihr überhaupt Zeugen, die bestätigen können, dass ich gesagt habe, was in dem angeblichen Tagebuch steht?«, fragte Sano.
Hoshina wandte sich dem Shōgun zu. »Herr, die einzige Zeugin für diese Behauptungen ist Kurtisane Wisterie, und die wurde ermordet. Ihr Leichnam wurde in der vorletzten Nacht entdeckt.« Das Verbrechen war der Aufmerksamkeit Hoshinas und seiner Spione nicht entgangen. »Wie günstig für den sōsakan-sama , dass sie ihm nicht widersprechen kann.« Hoshina funkelte Sano boshaft an.
»Es könnte sich bei dem Leichnam auch um eine andere Person als um Wisterie handeln«, sagte Sano. »Und die Leiche wurde in einem Haus gefunden, das Fujio gehört, dem hokan . Er ist der Hauptverdächtige nicht nur in diesem Mordfall, sondern auch im Mord am Fürsten Mitsuyoshi. Es gibt noch andere Verdächtige, darunter Wisteries Anstandsdame. Vielleicht gibt es sogar noch weitere mögliche Täter, die wir nicht kennen, weil die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind.«
»Die Ermittlungen wurden von Beginn an vom sōsakan-sama geleitet«, sagte Hoshina verächtlich. »Die Verdächtigen, die er erwähnt, sind lediglich Personen, die ihre Unschuld nicht beweisen können. Er hat sie verfolgt, weil er sich selbst schützen will!«
» Ihr wart es doch, der Momoko verhaftet hat«, stieß Sano hervor.
»Weil er mich dazu
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