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Der Verrat Der Drachen: Roman

Titel: Der Verrat Der Drachen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Morgan
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genoss das zarte Fleisch.

25

    T uon konnte nicht schlafen. Sie drehte sich um und legte sich auf die Seite, spürte aber auch dann die harte Erde durch den dünnen Lederboden des Zelts. Gerade so eben konnte sie Shaans schattenhafte Gestalt erkennen, wie sie im schwachen Schimmer des Mondlichts, das durch den Schlitz der Zeltöffnung drang, auf dem Rücken lag. Im Schlaf murmelte sie leise irgendetwas.
    Tuon fragte sich, wovon sie wohl träumte. Azoth? Balkis? Es hatte sie entsetzt, wie dünn Shaan geworden war. Sie war immer schlank gewesen, aber jetzt war sie mager, zu mager, und in ihren Augen stand ein Ausdruck, der vorher nicht darin gelegen hatte. Die einzige Beschreibung, die Tuon dafür einfiel, war »gehetzt«. Es machte ihr Angst um ihre Freundin. Sie setzte sich auf, schob die Decke beiseite und hatte plötzlich das Bedürfnis, den Himmel zu sehen.
    Draußen war die Luft kühl, der Boden feucht unter ihren nackten Füßen. Das kleine Feuer von vorhin bestand nun nur noch aus glühenden Kohlen und Asche. Einer der Jäger bewachte jenseits des Halbkreises aus Zelten das Lager. Er nickte ihr zu, als sie langsam am Ufer des kleinen Bachs entlang auf den Hain zuging. Der Mond verwandelte das Wasser in Bänder aus flüssigem Silber und Schatten, und sie folgte seinem plätschernden Lauf und dachte an Shaans Mutter, die schöne, dunkelhaarige Frau, die sie vorhin kennen gelernt hatte. Mailun. Die Frau, die Rorc verlassen hatte, die aber eindeutig nie aus seinem Herzen verschwunden war. Tuon hatte immer gewusst, dass es jemanden gab, nach dem er sich noch immer sehnte. Sie kam sich töricht vor. Das Mitleid in Shaans Blick hätte genug sein sollen, sie aufzuwecken.
    Tuon blieb stehen, starrte aufs Wasser hinab und fragte sich, ob Ivar wach war. Sein lockerer Humor hatte ihr auf den Inseln mehr als einmal geholfen. Sie steckte einen Zeh in den Bach und zog ihn dann rasch wieder heraus. Kalt. Sie warf einen Blick zurück auf die stillen Zelte. Es war zu spät, jemanden aufzuwecken. Sie wandte sich ab und ging weiter auf die Bäume zu, dorthin, wo der Bach in ihrem Schatten verschwand. Nasses Gras schlug ihr gegen die Hosenbeine, und sie wanderte in die Dunkelheit, bis sie das Lager nicht mehr sehen konnte. Die hohen Stämme ragten glatt neben ihr auf. In Wassernähe war der Boden frei von Gras und Unterholz. Mondlicht flimmerte an einigen Stellen herab, aber größtenteils war es dunkel und ruhig, und so klang das Knacken des Zweiges in der sanften Stille laut. Tuon erstarrte; sie sah, wie sich ein Schatten gerade vor ihr auf einen Felsen an den Bach setzte.
    »Schon gut, Tuon, ich bin’s«, ertönte Rorcs Stimme leise und ruhig. »Was tust du hier?«
    Sie stand einen Moment lang erschrocken da und ging dann langsam auf ihn zu. Er blieb vornübergebeugt sitzen, die Stücke des Zweigs zwischen den Fingern. Sein Gesicht wurde vom Mondlicht halb beleuchtet; dunkle Schatten der Erschöpfung lagen unter seinen Augen.
    »Ich habe dich nicht gesehen«, sagte sie; ihr Herz klopfte immer noch zu schnell.
    Er nickte; ein hartes Funkeln stand in seinem Blick. »Kannst du nicht schlafen?«
    Sie schüttelte den Kopf. In seinem Gesicht lag etwas sehr Trostloses.
    »Warum bist du hier draußen?«, fragte sie, und ein spöttisches Lächeln kräuselte seine Lippen, während er eine Silberflasche vom Schoß hob.
    »Bittere Medizin«, sagte er und streckte ihr die Flasche hin. »Der beste aus Ressina. Brauchst du welchen?«
    »Nein.« Tuon hatte ihn noch nie so erlebt. »Wie viel hast du getrunken?«, fragte sie.
    Er spielte mit dem Verschluss der Flasche, schraubte sie auf und zu. »Ich nehme an, Shaan hat es dir gesagt«, sagte er. »Anscheinend bin ich ihr Vater .« Er betonte das Wort, als bedeute es fürchterliche Dinge. »Sowohl ihrer als auch der von Tallis.«
    »Das hat sie erzählt.« Tuon fragte sich, ob er betrunken war.
    Er runzelte die Stirn, beugte sich vor und ließ, die Unterarme auf die Knie gestützt, die Flasche zwischen den Fingern baumeln. »Es ist seltsam«, sagte er leise.
    Nein, entschied sie, betrunken war er nicht, aber dennoch nicht er selbst.
    »Du kannst nichts an dem ändern, was geschehen ist«, sagte sie. »Du wusstest nicht, dass es sie gab.«
    Seine Lippen verzogen sich zu einem zynischen Lächeln, als er sie ansah.
    »Warum bin ich dir wichtig, Tuon?«, fragte er. »Ich bringe Frauen nichts als Schmerz.«
    Ihr stockte der Atem, und sie fühlte sich, als sei ihr etwas im Halse stecken geblieben. Er

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