Der Verrat Der Drachen: Roman
geschehen. Und deshalb kommen die Clans an unserem Brunnen zusammen.«
»Aber er ist von der Reinheit der Clans besessen«, sagte Mailun. »Er wird keinen Nutzen darin sehen, dass die Clans sich mit euch verbünden, um gegen Azoth zu kämpfen. Die Führer können nicht allzu gut nachgedacht haben, wenn sie die Hand bei seiner Wahl im Spiel hatten. Er ist zu stolz – und das ist nur eines.«
»Er wird nie bereit sein, zu uns zu stoßen, solange ich dabei bin, oder die Drachen.« Tallis seufzte.
»Vielleicht können wir andere Clans auf unsere Seite ziehen«, meinte Rorc.
Shila schüttelte den Kopf. »Sie sind vereint, Rorc. Du weißt, wie das abläuft. Die vereinten Clans müssen dem Anführer folgen, den sie gewählt haben. Nur einer kann das Ganze beherrschen.«
»Es muss einen anderen Weg geben«, sinnierte Tallis.
»Den wird es auch geben«, sagte Shaan plötzlich. »Ich sah die Clans in der Schlacht. Sabut hat mir eine … Vision gezeigt. Sie werden sich euch anschließen müssen.«
Tallis runzelte die Stirn, und Shila erklärte: »Wir werden die Antwort bald finden – die Sonne geht auf.«
Eine fahle Linie aus Licht begann am Rande des Horizonts zu glimmen, und als Tallis sich dorthin wandte, bemerkte er, dass Rorc ihn mit nachdenklicher Miene musterte. Aber sobald er sah, dass Tallis ihn beobachtete, änderte sich sein Gesichtsausdruck.
»Du solltest die Drachen rufen«, sagte er. »Wir müssen aufbrechen.«
Während er sich noch fragte, was dieser Blick wohl zu bedeuten gehabt hatte, stand Tallis steif auf und reckte seine Sinne nach Marathin.
Sie brachen zum Jalwalah-Brunnen auf, als der Heiligenschein der Sonne sich über die Erde erhob; die Drachen flogen direkt auf die langen Lichtstreifen zu, die sich über den Sand erstreckten. Sie flogen den ganzen Tag, ohne Halt zu machen. Es drängte sie, in den Schutz der Höhlen zu gelangen; die Landschaft bildete ein endloses Panorama aus Dünen, Felsen und dürrem Gestrüpp. Gegen Mittag flogen sie über ein Lager der nomadischen Muthuhirten, die den Jalwalah ergeben waren; ihre Zelte hatten beinahe dieselbe Farbe wie der helle Sand. Die etwa zwölf Muthus, die zusammengedrängt dastanden, stießen heisere Schreckensrufe aus, als die Schatten der Drachen über sie hinweggingen.
Am späten Nachmittag näherten sie sich dann der langgestreckten, massigen Gesteinsformation des Brunnens. Zelte an derer Clans waren beiderseits des Eingangs in Gruppen errichtet, und Leute saßen zwischen ihnen oder spazierten umher, aber alle blieben stehen, als sie die Drachen sahen, hoben die Hände und deuteten nach oben.
Sie glitten hinab, um in einiger Entfernung zu landen, aber schon kam ein Trupp Krieger auf sie zu. Tallis’ Herz klopfte heftig, als er das Land betrat, das er nie wiederzusehen geglaubt hatte; trotz allem erfüllte ihn eine Art Freude. Jede Düne, die er sehen konnte, und jeder Busch waren so schmerzlich vertraut! Nicht weit von hier lagen ein niedriger Felsvorsprung, auf dem er seine erste Steineidechse erlegt hatte, und der Dornbaum, an dem er sich das Bein aufgerissen hatte, als er versucht hatte, eine weitere zu fangen.
Seine Lippen verzogen sich beinahe zu einem Lächeln. Irissa war an jenem Tag auch da gewesen, genau wie Jared. Er sah zu ihr hinüber, und das Lächeln verging ihm. Auf ihrem Gesicht stand ein Ausdruck von Traurigkeit, der die Wärme der Erinnerung zu eiskalter Scham werden ließ. Er sah beiseite und verabscheute sich selbst für den Schmerz, den er ihr noch immer zufügte.
Rorc ließ sein Schwert und sein Messer bei Tallis zurück und ging mit Shila den Kriegern entgegen; die Übrigen warteten bei den Drachen. Er ging mit ausgebreiteten Händen, so dass sie sehen konnten, dass er keine Waffe trug, und Tallis spannte sich an, als er den Clansmann erkannte, der vortrat, um Rorc zu begrüßen.
»Thadin«, sagte Irissa. Die stolze Zurückhaltung lag wieder in ihrem Gesicht, als sie Tallis ansah.
»Shilas Herzensgefährte«, fügte Tallis auf Shaans fragenden Blick hinzu. »Der Anführer der Krieger.«
Shila trat vor und sagte etwas zu Thadin, und Rorc reichte ihm eine dünne, aus der Stadt mitgebrachte Schriftrolle, die mit dem Wappen der Führerin versiegelt war. Nach einem weiteren angespannten Moment winkte Rorc sie heran.
»Kommt«, sagte Tallis und hob ihr Gepäck auf.
Sie wurden von Thadin mit hartem, starrem Blick empfangen; seine Augen verengten sich, als er sah, wie Tallis Rorc die Waffen zurückreichte. Dann
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