Der Verrat: Thriller (German Edition)
auf einen Plastikstuhl plumpsen, wo ihre Arme unangenehm über die Lehne nach hinten gestreckt waren. In ihrem Kopf fühlte es sich an, als würden die Rädchen nicht mehr richtig ineinandergreifen. Sie konnte keinen Gedanken fassen.
Eine stämmige Frau lateinamerikanischer Herkunft in der Uniform des Sicherheitsdienstes trat vor sie hin. Ihr Gesichtsausdruck war knallhart und grimmig, aber die Augen schauten mitfühlend. »Sie werden sich eine Weile verwirrt fühlen. Das geht vorbei. Sie sterben nicht daran. Sie sind nicht einmal verletzt. Anders als bei meinem Kollegen mit der lädierten Nase. Versuchen Sie nicht, diesen Raum zu verlassen. Sie werden daran gehindert werden, sollten Sie es doch versuchen.«
»Jemand hat meinen Sohn entführt.« Die Worte kamen rauh und undeutlich heraus. Sogar sie selbst fand, sie klänge betrunken und vernuschelt. Sie konnte sich nicht einmal genug konzentrieren, um das Namensschildchen der Frau zu lesen.
»Ich bin bald wieder zurück, um Sie zu vernehmen«, sagte die Frau und folgte ihren Kollegen zur Tür.
»Warten Sie«, rief Stephanie. »Mein Junge. Jemand hat meinen Jungen mitgenommen.«
Die Frau geriet auf ihrem Weg aus dem Raum nicht einmal aus dem Tritt.
Jetzt wurde sie von der kalten Angst in ihrer Brust überwältigt. Egal, was der Taser mit ihrem Körper und ihrem Kopf gemacht hatte. In diesem Moment nahm sie nur den Schrecken wahr. Ihre anfängliche Panik hatte sich verändert, und mit ihr war der dringende Wunsch, zu fliehen oder zurückzuschlagen, verflogen. Jetzt fühlte sich die Sorge wie ein kalter Knoten in der Brust an, der auf ihr Herz drückte und das Atmen erschwerte.
Während Gedanken und Gefühle in ihrem Inneren durcheinandergingen, konzentrierte sich Stephanie mit aller Macht auf die eine wesentliche Tatsache. Jemand war mit Jimmy aus dem Sicherheitsbereich weggegangen. Ein Fremder hatte ihn mitgenommen, ohne dass im alltäglichen Gang der Dinge überhaupt etwas bemerkt worden war. Wie hatte das passieren können? Und warum schenkte ihr niemand Gehör?
Sie musste hier raus, musste jemandem in einer höheren Position erklären, dass etwas Schreckliches geschehen war und in diesem Moment immer noch geschah. Stephanie presste sich gegen die Stuhllehne und versuchte, die Arme frei zu bekommen. Aber je mehr sie gegen die steife Plastikfläche ankämpfte, desto unmöglicher erschien ihr jede Bewegung. Schließlich begriff sie, dass die Konstruktion des Stuhls ihr nicht erlaubte, die Arme so weit nach hinten zu strecken, dass sie sie über die Lehne hochziehen konnte. Und weil er am Boden befestigt war, konnte sie nicht einmal aufstehen und ihn wie einen merkwürdigen Schildkrötenpanzer mit sich herumtragen.
Als sie mit ihren Überlegungen bei diesem Endergebnis angekommen war, betrat die Frau, die mit ihr gesprochen hatte, wieder den Raum. Sie war in Begleitung eines hoch aufgeschossenen Mannes mittleren Alters in der jetzt schon vertrauten Uniform des Sicherheitsdienstes, der sich grußlos Stephanie gegenübersetzte. Der präzise Bürstenschnitt seines schon ergrauenden dunklen Haars ließ sein Gesicht wie eine Serie von Mulden und Kanten erscheinen, als hätte ein Kind mit einem Modellbaukasten diese Formen zusammengefügt. Seine Augen waren kalt, Mund und Kinn wirkten zu weich für das von ihm angestrebte Image. Auf seinem Namensschild stand Randall Parton, und auf der Schulterklappe seines blauen Hemdes waren zwei Goldstreifen. Stephanie war erleichtert, dass ihr das, was sie jetzt sah, einen Sinn zu ergeben schien.
»Jemand hat meinen Jungen entführt«, rief sie und verhaspelte sich dabei vor lauter Eile. »Sie müssen Alarm auslösen, die Polizei rufen. Was immer Sie tun, wenn ein Fremder ein Kind mitnimmt.«
An Partons versteinerter Miene änderte sich nichts. »Wie heißen Sie?«, fragte er. Stephanie erkannte den näselnden Akzent Neuenglands.
»Wie ich heiße? Stephanie Harker. Aber das ist unwichtig. Wichtig ist …«
»Hier bestimmen wir, was wichtig ist.« Parton straffte die Schultern unter seinem ordentlich gebügelten Hemd. »Und jetzt ist wesentlich, dass Sie ein Sicherheitsrisiko darstellen.«
»Das ist ja verrückt. Ich bin doch das Opfer.«
»So wie ich das sehe, ist mein Mitarbeiter das Opfer. Der Mann, den Sie angriffen, weil Sie sich aus dem Sicherheitskontrollbereich entfernen wollten, bevor man Sie überprüfen konnte. Nachdem der Metalldetektor gepiepst hatte.« Stephanie sah, dass die Frau hinter ihm von einem Fuß
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