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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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warf sie zu Boden und rief: „Das ist ja ekelhaf, da haben sie mir eine Mädchenschürze umgebunden." Dann aber klappte er die Hacken zusammen und salutierte. Jemand versuchte zu lachen, aber der Kapitän sagte streng: „Das nenne ich eine gute Laune. Wer ist denn draußen?" „Es sind meine Zeugen", sagte Schubal vortretend, „ich bitte ergebenst um Entschuldigung für ihr unpassendes Be- nehmen. Wenn die Leute die Seefahrt hinter sich haben, sind sie manchmal wie toll." – „Rufen Sie sie sofort her- ein", befahl der Kapitän und gleich sich zum Senator umwendend sagte er verbindlich, aber rasch: „Haben Sie jetzt die Güte, verehrter Herr Senator, mit Ihrem Herrn Neffen diesem Matrosen zu folgen, der Sie ins Boot bringen wird. Ich muß wohl nicht erst sagen, welches Vergnügen und welche Ehre mir das persönliche Be- kanntwerden mit Ihnen, Herr Senator, bereitet hat. Ich wünsche mir nur bald Gelegenheit zu haben, mit Ihnen, Herr Senator, unser unterbrochenes Gespräch über die amerikanischen Flottenverhältnisse wieder einmal auf- nehmen zu können und dann vielleicht neuerdings auf so angenehme Weise wie heute unterbrochen zu wer- den." „Vorläufig genügt mir dieser eine Neffe", sagte der Onkel lachend. „Und nun nehmen Sie meinen be- sten Dank für Ihre Liebenswürdigkeit und leben Sie wohl. Es wäre übrigens gar nicht so unmöglich, daß wir" – er drückte Karl herzlich an sich – „bei unserer nächsten Europareise vielleicht für längere Zeit zusam- menkommen könnten." „Es würde mich herzlich freu- en", sagte der Kapitän. Die beiden Herren schüttelten einander die Hände, Karl konnte nur noch stumm und flüchtig seine Hand dem Kapitän reichen, denn dieser war bereits von den vielleicht fünfzehn Leuten in An- spruch genommen welche unter Führung Schubals zwar etwas betroffen aber doch sehr laut einzogen. Der Ma- trose bat den Senator vorausgehn zu dürfen und teilte dann die Menge für ihn und Karl, die leicht zwischen den sich verbeugenden Leuten durchkamen. Es schien daß diese im übrigen gutmütigen Leute den Streit Schu- bals mit dem Heizer als einen Spaß auffaßten, dessen Lächerlichkeit nicht einmal vor dem Kapitän auföre. Karl bemerkte unter ihnen auch das Küchenmädchen Line, welche, ihm lustig zuzwinkernd, die vom Matro- sen hingeworfene Schürze umband, denn es war die ih- rige.
    Weiter dem Matrosen folgend verließen sie das Bureau und bogen in einen kleinen Gang ein, der sie nach paar Schritten zu einem Türchen brachte, von dem aus eine kurze Treppe in das Boot hinabführte, welches für sie vorbereitet war. Die Matrosen im Boot, in das ihr Füh- rer gleich mit einem einzigen Satz hinuntersprang, erho- ben sich und salutierten. Der Senator gab Karl gerade eine Ermahnung zu vorsichtigem Hinuntersteigen, als Karl noch auf der obersten Stufe in hefiges Weinen aus- brach. Der Senator legte die rechte Hand unter Karls Kinn, hielt ihn fest an sich gepreßt und streichelte ihn mit der linken Hand. So giengen sie langsam Stufe für Stufe hinab und traten engverbunden ins Boot, wo der Senator für Karl gerade sich gegenüber einen guten Platz aussuchte. Auf ein Zeichen des Senators stießen die Matrosen vom Schiffe ab und waren gleich in voller Ar- beit. Kaum waren sie paar Meter vom Schiff entfernt machte Karl die unerwartete Entdeckung, daß sie sich gerade auf jener Seite des Schiffes befanden, wohin die Fenster der Hauptkassa giengen. Alle drei Fenster waren mit Zeugen Schubals besetzt, welche freundschaflich grüßten und winkten, sogar der Onkel dankte und ein Matrose machte das Kunststück, ohne eigentlich das gleichmäßige Rudern zu unterbrechen eine Kußhand hinaufzuschicken. Es war wirklich als gebe es keinen Heizer mehr. Karl faßte den Onkel, mit dessen Knien sich die seinen fast berührten, genauer ins Auge und es kamen ihm Zweifel, ob dieser Mann ihm jemals den Heizer werde ersetzen können. Auch wich der Onkel seinem Blicke aus und sah auf die Wellen hin, von denen ihr Boot umschwankt wurde.

    II Der Onkel

    Im Hause des Onkels gewöhnte sich Karl bald an die neuen Verhältnisse. Der Onkel kam ihm aber auch in jeder Kleinigkeit freundlich entgegen und niemals mußte Karl sich erst durch schlechte Erfahrungen belehren las- sen, wie dies meist das erste Leben im Ausland so verbit- tert.
    Karls Zimmer lag im sechsten Stockwerk eines Hau- ses, dessen fünf untere Stockwerke, an welche sich in der Tiefe noch drei unterirdische anschlössen, von dem Ge-

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