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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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alte Häuser", sagte Karl. „Natürlich", sagte Klara la- chend und zog ihn weiter. „Sie haben merkwürdige Be- griffe von Amerika." „Sie sollen mich nicht auslachen", sagte er ärgerlich. Schließlich kannte er schon Europa und Amerika, sie aber nur Amerika.
    Im Vorübergehn stieß Klara mit leicht ausgestreckter Hand eine Tür auf und sagte ohne anzuhalten: „Hier werden Sie schlafen." Karl wollte natürlich das Zimmer sich gleich anschauen, aber Klara erklärte ungeduldig und fast schreiend, das habe doch Zeit und er solle nur vorher mitkommen. Sie zogen sich auf dem Gang ein wenig hin und her, schließlich meinte Karl, er müsse sich nicht in allem nach Klara richten, riß sich los und trat in das Zimmer. Ein überraschendes Dunkel vor dem Fen- ster erklärte sich durch einen Baumwipfel, der sich dort in seinem vollen Umfang wiegte. Man hörte Vögelge- sang. Im Zimmer selbst, das vom Mondlicht noch nicht erreicht war, konnte man allerdings fast gar nichts unter- scheiden. Karl bedauerte die elektrische Taschenlampe, die er vom Onkel geschenkt bekommen hatte, nicht mit- genommen zu haben. In diesem Hause war ja eine Ta- schenlampe unentbehrlich, hätte man ein paar solcher Lampen gehabt, hätte man die Diener schlafen schicken können. Er setzte sich aufs Fensterbrett und sah und horchte hinaus. Ein aufgestörter Vogel schien sich durch das Laubwerk des alten Baumes zu drängen. Die Pfeife eines Newyorker Vorortzuges erklang irgendwo im Land. Sonst war es still.
    Aber nicht lange, denn Klara kam eilends herein. Sichtlich bös rief sie: „Was soll denn das?" und klatschte auf ihren Rock. Karl wollte erst antworten, bis sie höfli- cher war. Aber sie gieng mit großen Schritten auf ihn zu, rief: „Also wollen Sie mit mir kommen oder nicht?" und stieß ihn mit Absicht oder bloß in der Erregung derartig an die Brust, daß er aus dem Fenster gestürzt wäre, hätte er nicht noch im letzten Augenblick vom Fensterbrett gleitend mit den Füßen den Zimmerboden berührt. Jetzt wäre ich bald herausgefallen", sagte er vorwurfs- voll. „Schade daß es nicht geschehen ist. Warum sind Sie so unartig. Ich stoße Sie noch einmal hinunter." Und wirklich umfaßte sie ihn und trug ihn, der verblüf sich zuerst schwer zu machen vergaß, mit ihrem vom Sport gestählten Körper fast bis zum Fenster. Aber dort be- sann er sich, machte sich mit einer Wendung der Hüfen los und umfaßte nun sie. „Ach Sie tun mir weh", sagte sie gleich. Aber nun glaubte sie Karl nicht mehr loslassen zu dürfen. Er ließ ihr zwar Freiheit, Schritte nach Belie- ben zu machen, folgte ihr aber und ließ sie nicht los. Es war auch so leicht sie in ihrem engen Kleid zu umfassen. Lassen Sie mich", flüsterte sie, das erhitzte Gesicht eng an seinem, er mußte sich anstrengen sie zu sehn, so nahe war sie ihm, „lassen Sie mich, ich werde Ihnen etwas Schönes geben." „Warum seufzt sie so", dachte Karl, es kann ihr nicht wehtun, ich drücke sie ja nicht", und er ließ sie noch nicht los. Aber plötzlich nach einem Augenblick unachtsamen schweigenden Dastehns fühlte er wieder ihre wachsende Kraf an seinem Leib und sie hatte sich ihm entwunden, faßte ihn mit gut ausgenütz- tem Obergriff, wehrte seine Beine mit Fußstellungen ei- ner fremdartigen Kampfechnik ab und trieb ihn vor sich mit großartiger Regelmäßigkeit Athem holend gegen die Wand. Dort war aber ein Kanapee, auf das legte sie Karl hin und sagte, ohne sich allzusehr zu ihm hinabzubeu- gen: „Jetzt rühr Dich wenn Du kannst." „Katze, tolle Katze", konnte Karl gerade noch aus dem Durcheinan- der von Wut und Scham rufen, in dem er sich befand. „Du bist ja wahnsinnig, Du tolle Katze." „Gib acht auf Deine Worte", sagte sie und ließ die eine Hand zu sei- nem Halse gleiten, den sie so stark zu würgen anfieng, daß Karl ganz unfähig war, etwas anderes zu tun, als Luf zu schnappen, während sie mit der andern Hand an seine Wange fuhr, wie probeweise sie berührte, sie wie- der undzwar immer weiter in die Luf zurückzog und jeden Augenblick mit einer Ohrfeige niederfahren lassen konnte. „Wie wäre es", fragte sie dabei, „wenn ich Dich zur Strafe für Dein Benehmen einer Dame gegenüber mit einer tüchtigen Ohrfeige nachhause schicken wollte. Vielleicht wäre es Dir nützlich für Deinen künfigen Le- bensweg, wenn es auch keine schone Erinnerung abge- ben würde. Du tust mir ja leid und bist ein erträglich hübscher Junge und hättest Du Jiu-Jitsu gelernt, hättest Du

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