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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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von einem andern Lande abgesendet. Immer fragten einige gleichzeitig, immer redeten außerdem einzelne untereinander. Die meisten wollten etwas aus der Por- tiersloge holen oder etwas dort abgeben, so sah man immer auch ungeduldig fuchtelnde Hände aus dem Ge- dränge ragen. Einmal hatte einer ein Begehren wegen irgendeiner Zeitung, die sich unversehens von der Höhe aus entfaltete und für einen Augenblick alle Gesichter verhüllte. Allem diesen mußten nun die zwei Unterpor- tiere standhalten. Bloßes Reden hätte für ihre Aufgabe nicht genügt, sie plapperten, besonders der eine, ein dü- sterer Mann mit einem das ganze Gesicht umgebenden dunklen Bart, gab die Auskünfe ohne die geringste Un- terbrechung. Er sah weder auf die Tischplatte, wo er fortwährend Handreichungen auszuführen hatte, noch auf das Gesicht dieses oder jenes Fragers, sondern aus- schließlich starr vor sich, offenbar um seine Kräfe zu sparen und zu sammeln. Übrigens störte wohl sein Bart ein wenig die Verständlichkeit seiner Rede und Karl konnte in dem Weilchen, während dessen er bei ihm stehen blieb, sehr wenig von dem Gesagten auffassen, wenn es auch möglicherweise trotz des englischen Bei- klanges gerade fremde Sprachen waren, die er gebrau- chen mußte. Außerdem beirrte es daß sich eine Auskunf so knapp an die andere anschloß und in sie übergieng, so daß of noch ein Frager mit gespanntem Gesicht zu- horchte, da er glaubte, es gehe noch um seine Sache, um erst nach einem Weilchen zu merken, daß er schon erle- digt war. Gewöhnen mußte man sich auch daran, daß der Unterportier niemals bat, eine Frage zu wiederholen, selbst wenn sie im Ganzen verständlich und nur ein we- nig undeutlich gestellt war, ein kaum merkliches Kopf- schütteln verriet dann, daß er nicht die Absicht habe, diese Frage zu beantworten und es war Sache des Frage- stellers, seinen eigenen Fehler zu erkennen und die Frage besser zu formulieren. Besonders damit verbrachten manche Leute sehr lange Zeit vor dem Schalter. Zur Unterstützung der Unterportiere war jedem ein Lauf- bursche beigegeben, der im gestreckten Lauf von einem Bücherregal und aus verschiedenen Kästen alles beizu- bringen hatte was der Unterportier gerade benötigte. Das waren die bestbezahlten wenn auch anstrengendsten Posten, die es im Hotel für ganz junge Leute gab, in gewissem Sinne waren sie auch noch ärger daran als die Unterportiere, denn diese hatten bloß nachzudenken und zu reden, während diese jungen Leute gleichzeitig nachdenken und laufen mußten. Brachten sie einmal et- was unrichtiges herbei, so konnte sich natürlich der Un- terportier in der Eile nicht damit aufalten, ihnen lange Belehrungen zu geben, er warf vielmehr einfach das, was sie ihm auf den Tisch legten, mit einem Ruck vom Tisch herunter. Sehr interessant war die Ablösung der Unter- portiere, die gerade kurz nach dem Eintritt Karls statt- fand. Eine solche Ablösung mußte natürlich wenigstens während des Tages öfers stattfinden, denn es gab wohl kaum einen Menschen, der es länger als eine Stunde hin- ter dem Schalter ausgehalten hätte. Zur Ablösungszeit ertönte nun eine Glocke und gleichzeitig traten aus einer Seitentüre die zwei Unterportiere, die jetzt an die Reihe kommen sollten, jeder von seinem Laufungen gefolgt. Sie stellten sich vorläufig untätig beim Schalter auf und betrachteten ein Weilchen die Leute draußen, um festzu- stellen, in welchem Stadium sich gerade die augenblickli- che Fragebeantwortung befand. Schien ihnen der Au- genblick passend, um einzugreifen, klopfen sie dem abzulösenden Unterportier auf die Schulter, der, trotz- dem er sich bisher um nichts, was hinter seinem Rücken vorgieng, gekümmert hatte, sofort verstand und seinen Platz freimachte. Das ganze gieng so rasch, daß es of die Leute draußen überraschte und sie aus Schrecken über das so plötzlich vor ihnen aufauchende neue Gesicht fast zurückwichen. Die abgelösten zwei Männer streck- ten sich und begossen dann über zwei bereitstehenden Waschbecken ihre heißen Köpfe, die abgelösten Lauf- jungen durfen sich aber noch nicht strecken, sondern hatten noch ein Weilchen damit zu tun, die während ihrer Dienststunden auf den Boden geworfenen Gegen- stände aufzuheben und an ihren Platz zu legen.
       Alles dieses hatte Karl mit der angespanntesten Auf- merksamkeit in wenigen Augenblicken in sich aufge- nommen und mit leichten Kopfschmerzen folgte er still dem Oberportier der ihn weiterführte. Offenbar

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